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Unterrichtsausfall senkt
Ausbildungs-Niveau

Heute Gespräch mit IHK an Carl-Severing-Berufskolleg

Von Gerhard Hülsegge
Bielefeld (WB). Die Industrie- und Handelskammer (IHK) schlägt Alarm: Das Carl-Severing-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung der Stadt Bielefeld verzeichnet bei der Ausbildung von Verlagskaufleuten drastischen Unterrichtsausfall. Sven Binner, Geschäftsführer Berufliche Bildung bei der IHK, und Schulleiter Dr. Dieter Herbarth haben für heute ein Spitzengespräch vereinbart.

»Wir wollen nach Möglichkeiten suchen, dass durch Umorganisation wenigstens wieder Deutsch unterrichtet wird«, erklärte Binner. Denn die ausbildenden Betriebe halten die momentane Situation schlichtweg für unerträglich. Rund 260 Unterrichtsstunden werden den Auszubildenden des 1. und 2. Lehrjahres binnen eines Jahres fehlen, wenn sich nichts ändert. »Wir haben dienstags fünf und donnerstags drei Stunden, da lohnt es sich fast gar nicht mehr, zur Schule zu gehen«, so Oliver Schaal (21), »Azubi« im 2. Lehrjahr. Zwölf Stunden pro Woche wären eigentlich vonnöten.
Der Wirtschaftsabiturient kennt sich im Rechnungswesen glücklicherweise schon ein wenig aus. Aber für die anderen sieht der aktuelle Stundenplan das wichtige Fach für die angehenden Kaufleute ebenso selten vor wie Organisationslehre. »Das ist eine Katastrophe«, so Ralph-Peter Gieselmann, Mitglied des Prüfungsausschusses und Ausbilder beim WESTFALEN-BLATT. »Wir sehen das Ziel unseres gewohnt hohen Ausbildungs-Niveaus akut gefährdet«, betont Verlagsleiterin Gabriele Förster nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ankündigung durch die neue NRW-Landesregierung, zusätzliche Lehrer einstellen zu wollen. Sie kann Personalleiter Lutz Demny (38) verstehen, der sich fragt, wie sinnvoll das duale System - Ausbildung in Schule und Betrieb - noch ist, wenn Lehrer fehlen, Stundenpläne nicht mit den Firmen abgesprochen werden und allenthalben durch interne Schulungen »nachgebessert« werden muss, um den Jugendlichen eine echte Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben.
100 Lehrer unterrichten derzeit am Carl-Severing-Berufskolleg 2100 Schülerinnen und Schüler in 18 verschiedenen Bildungslehrgängen. Ein gravierender Mangel an Lehrkräften sei nicht zu verzeichnen, erklärte Schulleiter Dr. Dieter Herbarth auf Anfrage. Es sei auch niemand krank. Trotzdem ist die Stelle einer Lehrkraft für Mathematik und Wirtschaft seit einem Monat ausgeschrieben - beworben hat sich aber noch kein einziger.
»Die Fächerkombination ist schwierig«, räumt Dr. Herbarth ein. Andererseits sei die neue Kraft auch gar nicht für die Unterrichtung der angehenden Verlagskaufleute vorgesehen. »Umorganisation« ist denn auch das Stichwort für Sven Binner von der IHK für das heutige Gespräch mit dem Schulleiter. »Wenigstens die Kernfächer wie Fachkunde, Wirtschafts- und Soziallehre, Rechnungswesen und Deutsch müssen in ausreichendem Maße gelehrt werden«, gibt er die Richtung vor. Sport und Religion könnten dann notfalls hintenanstehen.

Artikel vom 07.09.2005