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»Benzinpreise steigen auf mehr
als 1,50 Euro«

Experten befürchten »globale Krise«

Hamburg (dpa). Keine Entwarnung für die Öl- und Benzinpreise: Trotz einer vorübergehenden Beruhigung der Märkte nach dem Anzapfen der strategischen Ölreserven rechnen Experten nicht mit einer nachhaltigen Preissenkung.

Die nach dem Hurrikan »Katrina« explosionsartig gestiegenen deutschen Benzinpreise gaben über das Wochenende um etwa einen Cent nach, doch Fachleute warnten gestern davor, dies als Trendwende zu sehen. Die Energie-Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Claudia Kempfert, sagte »Bild am Sontag«: »Es ist wahrscheinlich, dass der Benzinpreis in den nächsten Wochen die 1,50-Euro-Marke pro Liter Normalbenzin durchbrechen wird. Die teilweise Freigabe der Ölreserven wird nicht nachhaltig für niedrigere Preise sorgen.« Der Markt gehe von weiter steigenden Preisen aus.Die Benzinpreise waren Freitag auf durchschnittlich 1,44 Euro für Super, und 1,18 Euro für Diesel gestiegen - ein Preisanstieg seit Jahresbeginn um bis zu 30 Prozent.
Die deutsche Autoindustrie sieht sich für einen höheren Einsatz von Biokraftstoffen gerüstet. Der Einsatz regenerativer Biokraftstoffe müsse »konsequent voran getrieben werden«, forderte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernd Gottschalk. »Die deutsche Automobilindustrie ist schon heute für einen höheren Einsatz biogener Kraftstoffe gerüstet - sowohl beim Diesel als auch beim Benziner.«
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) befürwortet eine Erhöhung des Anteils von Biosprit an Benzin und Diesel, alternative Treibstoffe wie Erdgas müssten weiter vorangebracht werden. Deshalb habe die Bundesregierung Biosprit und Erdgas langfristig steuerbegünstigt. Wer Erdgas tanke, zahle für den Liter heute weniger als 60 Cent.
Nach einem Wahlsieg wollen die Unionsparteien unerwartete Steuereinnahmen aus den steigenden Benzinpreisen an die Bürger zurückzugeben. Eine Möglichkeit sei, den Teil der Ökosteuer, der nicht in die Rentenkasse fließe, an die Bürger zurückzugeben., schlugen Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber vor. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wies dies strikt zurück. Das dem Bund zustehende Ökosteueraufkommen diene überwiegend zur Entlastung der Rentenversicherung, mit einem kleineren Teil würden erneuerbare Energien gefördert. Es gebe wegen der höheren Benzinpreise keine Mehreinnahmen aus Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer.
Der Chef der Internationalen Energie-Agentur Claude Mandil, befürchtet bei längerem Ausfall der US-Raffinerien eine globale Krise. »Wenn die Krise die Ölprodukte betrifft, dann ist es eine weltweite Krise, sagte Mandil der »Welt«. »Keiner sollte denken, dass sich das nur auf die USA beschränken wird. Sie kaufen jetzt schon Benzin in Europa. Wenn die Raffinerien beschädigt sein sollten, wird sich das noch verstärken«.
Im Golf von Mexiko lag die Ölproduktion nach Angaben der zuständigen US-Behörde MMS am Freitag noch um 1,328 Millionen Barrel pro Tag oder um 88,5 Prozent unterhalb des üblichen Niveaus, die des Erdgases um 72,48 Prozent. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) kündigte »weitere Maßnahmen« zur Marktstabilisierung an. OPEC-Staaten mit freien Kapazitäten haben den USA bereits angeboten, Produktionsausfälle auszugleichen. Sie hatte bereits angekündigt, von Oktober an die Rohölförderung um weitere 500 000 Barrel pro Tag zu steigern.

Artikel vom 05.09.2005