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Zu Gast im »Café Sport«
bei Schaumtorten-Willi

Erhard Schelp erklärt Historie der Queller Kreuzung

Von Markus Poch
Quelle (mp). Im Zuge ihrer Fahrbahnerneuerung und den damit verbundenen Sperrungen war die Queller Kreuzung »Café Sport« im Sommer 2005 in aller Munde. Ortsheimatpfleger Erhard Schelp hat das zum Anlass genommen, ein bisschen in der Geschichte dieses für Bielefeld so wichtigen Verkehrsknotenpunktes zu kramen. Dabei ging er vor allem der Frage nach, die heute selbst eingefleischte Queller kaum noch beantworten können: Woher stammt eigentlich der Name »Café Sport«?

»Die Bezeichnung geht zurück auf den Beginn des 20. Jahrhunderts«, erklärt der 72-jährige Schelp. »Älter kann sie nicht sein, denn vorher gab es in Quelle noch keinen Sport oder Sportveranstaltungen. Die Rennbahn eröffnete 1905, der TuS Quelle wurde erst im Jahre 1919 gegründet.«
Den Grundstein dafür, dass diese Kreuzung noch heute stadtweit unter »Café Sport« bekannt ist, legte sprichwörtlich der Bäckermeister Hermann Kuhlmann, als er 1897 die »Restauration zur Quelle« erbaute. Die Gaststätte mit Bäckerei befand sich ungefähr dort, wo heute die Ausfahrt des Ostwestfalendammes an dem neuen, weißen Mehrfamilienhaus in die Osnabrücker Straße mündet - also ganz in der Nähe zur Lutterquelle.
»Seit 1906 oder 1907 verkehrten dort die Jockeys, Trainer und Reitsportbegeisterte aus ganz Deutschland«, weiß Erhard Schelp. »Immer dann, wenn sie gegenüber aus dem Wettbüro kamen, gingen sie bei Hermann Kuhlmann noch einen trinken. So wurde über die Jahre aus der Gaststätte "Zur Quelle" im Volksmund das "Café Sport", und das wiederum gab der Kreuzung ihren Namen.«
Trotzdem war es nicht so sehr Gastwirt Kuhlmann, der Queller Ortsgeschichte schrieb. Es waren zwei andere Originale, die die Gemeinde bis zum ersten Weltkrieg und auch noch Jahre danach in Atem hielten: Das eine hieß »Vedder Austmann«. Er leitete besagtes Wettbüro, eine einfache Bretterbude, die dort gestanden haben muss, wo heute die Schnelldruckerei MacDruck und das Queller Sonnenparadies um Kundschaft buhlen. Robert »Vedder« Austmann kam 1875 in Quelle zur Welt, und schon sehr bald sagte seine eigene Großmutter über ihn: »Wat is dat forn unsachter Bengel!« Später wurde er zum Spaßmacher vom Dienst, rannte zum Beispiel barfuß und in Unterhosen über den Jahnplatz, bestellte aus Spaß ein Klavier, das keiner brauchte, sang öffentlich Weihnachtslieder im Hochsommer, ließ sich manchmal tagelang überhaupt nicht sehen, oder er ging Bier trinken zu Schaumtorten-Willi. Das ist das zweite Original. Hinter diesem Namen verbirgt sich Wilhelm Kornfeld, der zweite Pächter des »Café Sport«.
»In der schwierigen Zeit nach dem ersten Weltkrieg, als es auch in Quelle nicht viel zu essen gab, ließ er sich etwas Besonderes einfallen«, berichtet Erhard Schelp. »Er machte große Torten aus den wenigen, billigen Zutaten, die verfügbar waren.« Aus Fett, Mehl und Wasser entstand ein brettharter Boden. Darauf verteilte er eine Schicht aus Rhabarber und Eischnee - fertig. Geschmacklich sollen diese Torten »sehr traurig« gewesen sein, doch immerhin machten sie »Schaumtorten-Willi« zu einer Institution in seinem »Café Sport«. Er selbst verstarb 1939, seine Frau Anna führte die Wirtschaft bis 1953 weiter.
»Als ich anfing, Bier zu trinken, war Tante Anna noch aktiv«, erinnert sich Erhard Schelp, damals kaum 20 Jahre alt. »Rechts war ein Verkaufsladen, links ging es in den Schankraum. Es gab Hohenfelder oder Langenberger Pils, aber da bin ich mir nicht mehr sicher.« Später machte die Kreissparkasse Bielefeld ihre erste Zweigstelle im selben Haus auf. Doch die neuen Gaststätten-Pächter konnten sich ohne Rennbahn und Wettbüro (der Rennbetrieb war schon 1938 eingestellt worden) oder spezielle Kontakte nicht mehr halten.
Zudem wurde 1952 als Vereinslokal für den TuS Quelle und den Motorsportclub Hünenburg Quelle die nagelneue Gaststätte Sprungmann gewählt. So verlor Schaumtorten-Willis »Café Sport« mehr und mehr an Bedeutung, wurde schließlich 1968 im Rahmen früher Planungen für eine moderne Anbindung Quelles an die Innenstadt, den Ostwestfalendamm, abgerissen. Der Name ist geblieben und wird bestimmt noch lange an ein Stückchen Queller Heimatgeschichte erinnern.

Artikel vom 05.09.2005