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»Den Opfern wieder einen Namen geben«

»Initiative gegen Ausgrenzung« richtet Gedenkraum ein

Bielefeld (cc). 60 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergangen. Jeder kann die Namen Auschwitz, Buchenwald oder Dachau mit den großen Konzentrationslagern des Dritten Reichs in Verbindung bringen. Doch nur wenige kennen die »kleineren« Vernichtungslager, in denen die Gefangenen nicht mehr zur Arbeit eingesetzt wurden, sondern meist direkt nach ihrer Ankunft ermordet wurden.
In Belzec, Treblinka und Sobibor - im heutigen Polen - standen solche Vernichtungslager, in denen zwischen Juni 1942 und Oktober 1943 laut Schätzungen mehr als 1,6 Million Menschen umgebracht wurden.
»Wir wollen den Opfern in Sobibor wieder Namen geben«, sagt Raphaela Kula. Die 41-jährige Künstlerin gehört ebenso wie Sebastian Nickel, Fritz Bornemeyer und Sabine Wilke zu der Bielefelder »Initiative gegen Ausgrenzung«, die vor rund zehn Jahren gegründet wurde. Sie werden am Dienstag, 6. September, nach Sobibor fahren, um in der bereits vorhandenen Gedenkstätte einen Gedenkraum für die 250.000 dort ermordeten Menschen einzurichten. Fünf Tage haben sie dafür eingeplant.
Sebastian Nickel: »Solche eher kleine Lager der allgemeinen Vergessenheit zu entreißen, dafür setzen wir uns mit aller Kraft ein.« In dem Gedenkraum wird eine Ausstellung mit Fotos und Urkunden an die Ermordeten erinnern. Außerdem wurden Dossiers über einzelne bekannte Opfer verfasst. Durch Recherchen und Gespräche mit zwei der Überlebenden, Thomas Blatt und Jules Schelvis, konnten diese Dossiers angefertigt werden. »Es kamen auch Bielefelder in dem Lager ums Leben«, erzählt Sabine Wilke, »die Geschwister Inge und Hans Dreyer etwa waren zwei der Opfer.« Insgesamt acht Deportierte konnte die Initiative bisher als Bielefelder identifizieren.
»Wir haben uns schon immer mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt«, erklärt Fritz Bornemeyer, »seit sieben Jahren befassen wir uns jetzt mit Sobibor.« Dort, betont der 43-Jährige, gäbe es nichts mehr, das an das ehemalige Vernichtungslager erinnere, da die Nationalsozialisten das Gelände planiert hätten.
»Wir empfinden es ganz allgemein als unsere Verpflichtung, mit Hilfe des Gedenkraumes unserer geschichtlichen Verantwortung, an deutsche nationalsozialistische Verbrechen zu erinnern, nachzukommen«, erklärt Sebastian Nickel das außergewöhnliche Engagement der »Initiative gegen Ausgrenzung«.

Artikel vom 03.09.2005