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Gute Laune mit
Justus Frantz

Die preisgekrönten Schlagwerker der Philharmonie sorgten für den rhythmischen Auftakt.

Philharmonie der Nationen gefeiert

Rödinghausen-Bünde (os). Konzerte mit Justus Frantz sind anders. Da er den schönen Garten des Gutes Bök-kel als Inspiration wahrnahm, änderte er spontan das vorgesehene Programm. Es wurde ein langer, enthusiastisch aufgenommener Abend im alten Kuhstall des Gutes.

Konzerte mit Justus Frantz sind auch deshalb anders, weil er es hervorragend versteht, sein Publikum anzusprechen. Er legt keinen Wert darauf, ein Maestro zu sein, der kommt, sieht und siegt. Frantz, der zusammen mit Roderic von Bennigsen standesgemäß in einem alten Mercedes vorfuhr, betritt fast zeitgleich mit seinen jungen Musikern der »Philharmonie der Nationen« die Halle und gibt dem Publikum eine kleine Lehrstunde. Mit sonorer Stimme philosophiert er über das Naturverständnis Ludwig van Beethoves, um dann die fünfte Sinfonie anzukündigen. Die steht zwar nicht auf dem Programm, doch er möchte sie gerne dirigieren, und das Publikum dankt es ihm.
Das galt wohl auch für die jungen Musikerinnen und Musiker der Philharmonie der Nationen, die aus 40 Nationen stammen. Hier können sie zeigen, was sie können. Frantz mag den Klangrausch um ihn herum, die dynamischen Akzente und die Präzision. Das detailverliebte Orchester hatte sichtlich Spaß und sorgte für einen ersten, mitreißenden Höhepunkt.
Überraschungen sind bei Frantz-Konzerten die Regel. Zwei Flaschen Wein und zwei Gläser brachte er mit in den Kuhstall und überreichte sie dem Gastgeberpaar Dr. Ernst und Karen Leffers. Es sei Wein aus seinen eigenen Weinbergen, erzählt er, denn schon seit Jahren sei er auch ein leidenschaftlicher Winzer. Überrascht zeigte er sich von der Schönheit des Gutes Böckel. »Das ist einer der schönsten Gärten, die ich in Deutschland gesehen habe.«
Um die rund 800 Zuhörer aus der gesamten Region gleich zu fesseln, dürfen die Schlagwerker ein kurzes rhythmisches Feuerwerk abbrennen. Die haben gerade in Luxemburg den ersten Preis in einem Wettbewerb gewonnen und sorgen mit einer virtuosen Marimba-Xylophon-Einlage für den Geschwindigkeitsrekord des Abends.
Ohne Roderic von Bennigsen würde es den »Russischen Sommer« in dieser Form sicher nicht geben. Er selbst hat in der Nähe von Hannover auf seinem Gut das viel beachtete Bennigsen-Festival ins Leben gerufen und ermöglicht dort und auf Böckel eine Begegnung mit internationalen Spitzen-Ensembles. Als Dirigent war er dem Böckel-Publikum schon bekannt, jetzt hatte er sich als Solist das Cello-Konzert von Schumann ausgesucht, eines der anspruchsvollsten seiner Gattung, das dem Virtuosen sehr viel Raum bietet und das Orchester eher unterordnet. Von Bennigsens sehr eigenwillige Interpretation wurde mit tosendem Beifall belohnt.
Die Pause hat für viele der jungen Musiker nur bedingt einen Erholungswert, denn sie sind überall präsent, verkaufen Souvenirs und ihre CDs. »Auch davon leben wir«, sagt Frantz, der bis zum kommenden Jahr mit seiner Philharmonie der großen Talente auf Tournee ist.
Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung« geriet nach einer typisch Frantzschen Bildbetrachtung zu einem furiosen Finale mit einem entfesselt aufspielenden Orchester. Ein Wunschkonzert der slawischen Tänze von Dvorak folgte. Wünsche frei hatten die Familie Leffers (Tanz drei und fünf), der Solist (zwei) und den letzten Wunsch erfüllte sich der Dirigent selbst (15). Die Zuhörer gingen nach einem langen Abend zufrieden hinaus in die laue Sommernacht.

Artikel vom 30.08.2005