26.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Abweichende Meinung: Hans-Joachim Jentsch.

Jentsch: »Schwächung des Bundestages«

Verfassungsrichter begründet Gegenstimme

Karlsruhe (dpa). Mit deutlichen Worten hat sich Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch gegen die Zulassung der Neuwahl durch das Bundesverfassungsgericht gewandt.

Die Auffassung der Senatsmehrheit schwäche die Stellung des Bundestags, schrieb Jentsch in seiner abweichenden Meinung, mit der er gegen das Votum der Mehrheit des Zweiten Senats stimmte. Den Gründen, die Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Stellung der Vertrauensfrage am 1. Juli vorgetragen habe, lasse sich die von ihm behauptete politische Handlungsunfähigkeit nicht entnehmen, sagte Jentsch.
Der frühere thüringische Justizminister warf seinen Senatskollegen vor, von der Grundsatzentscheidung des Gerichts von 1983 abzuweichen. Gestehe man dem Kanzler einen derart weiten Einschätzungsspielraum zu, dann komme dies einem parlamentarischen Selbstauflösungsrecht »sehr nahe«, das im Grundgesetz nicht vorgesehen sei. Wenn allein die Beurteilung des Regierungschefs maßgeblich sei, dann entziehe dies dem Verfassungsgericht und dem Bundespräsidenten jegliche Beurteilungsgrundlage.
Nach den Worten des in Kürze ausscheidenden Richters hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Legislaturperiode die Kanzlermehrheit nie verfehlt. Die Gesetzesentwürfe zur »Agenda 2010« seien erfolgreich gewesen. Dass es für die Fortführung dieser Reformen an einer ausreichenden parlamentarischen Unterstützung fehle, entbehre daher einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage.

Artikel vom 26.08.2005