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Anwalt zeigt
sich selbst an

Geld von Mandanten veruntreut

Von Christian Althoff
Verl (WB). Untreue in vier Fällen wirft die Staatsanwaltschaft Bielefeld einem früheren Rechtsanwalt und Notar aus Verl (Kreis Gütersloh) vor. Der Jurist soll sich knapp 65 000 Euro angeeignet haben, um Schulden begleichen zu können, und hatte Selbstanzeige erstattet.

Der Anwalt war einst im Besitz einer renommierten Kanzlei und arbeitete als »Hausnotar« für eine ostwestfälischen Bank. Dennoch geriet er in finanzielle Schwierigkeiten, die dazu geführt haben sollen, dass er sich fremdes Geld aneignete. Dabei soll der 55-jährige Jurist seine Funktion als Konkursverwalter missbraucht haben: In vier Insolvenzfällen hatte er Anderkonten eingerichtet, mit deren Hilfe er die Gelder der betroffenen Firmen verwalten sollte.
Von diesen Anderkonten leitete der Anwalt dann nach eigenem Geständnis zwischen Dezember 2000 und Februar 2002 insgesamt 127 000 Mark (64 934 Euro) auf sein Privatkonto, in einem Fall alleine 80 000 Mark.
Als die Manipulationen aufzufallen drohten, erstattete der Rechtsanwalt Selbstanzeige und legte ein umfassendes Geständnis ab. Er beantragte für seine Kanzlei die Insolvenz und hat inzwischen seine Zulassungen als Anwalt und Notar zurückgegeben.
Edmund Rammert, der Direktor des Amtsgerichtes Gütersloh, erklärte gestern, der Jurist müsse sich im Oktober vor Gericht verantworten. »Das veruntreute Geld ist ausgegeben und konnte nicht mehr in die Konkursmassen zurückfließen«, sagte Rammert. Betroffen seien vornehmlich Firmen aus der Baubranche.
Die Kanzlei des Verler Rechtsanwaltes war bereits in den 90er Jahren ins Fadenkreuz internationaler Ermittlungen geraten. Damals hatte ein Betrüger einer Kommune in Sachsen-Anhalt vorgeschlagen, vier Millionen Mark, die für den Bau einer Kläranlage bereitlagen, bis zum Baubeginn zu 20 Prozent Zinsen auf den Cayman-Inseln anzulegen. Die Kommune stimmte zu und wollte das Geld zur Verschleierung über ein Notaranderkonto in die Karibik transferieren. Dieses Konto hatte ein Angestellter des Verler Rechtsanwaltes eingerichtet.
Nachdem der Mitarbeiter 750 000 Mark auf die Cayman-Inseln überwiesen hatte, stoppten Polizisten des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt jeden weiteren Geldtransfer und stellten mehr als drei Millionen Mark sicher. Das Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen den Angestellten der Verler Kanzlei war damals gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden, gegen den Inhaber der Kanzlei soll nicht ermittelt worden sein. Die Beteiligten der ostdeutschen Kommune waren verurteilt worden.
Der Prozess gegen den Ex-Anwalt findet am 21. Oktober statt.

Artikel vom 26.08.2005