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Hoffen auf die nächste Spitze

Nach der DLV-Kritik steht die Olympia-Zweite Steffi Nerius unter Druck

Helsinki (dpa). Die erste Spitze ging nach hinten los. Deshalb setzt Speerwerferin Steffi Nerius heute in der Qualifikation bei der Weltmeisterschaft in Helsinki zum doppelten Befreiungsschlag an.

»Es ist gut, dass es in den letzten Tagen keinen Wirbel mehr gab. Ich denke, sie wird im Wettkampf nicht belastet sein«, sagte gestern Jürgen Mallow, Leitender Bundestrainer des Deutschen Leichtahletik-Verbandes (DLV).
Die 33 Jahre alte Olympia-Zweite hatte mit verbalen Pfeilen gegen Verband und DLV-Präsident Clemens Prokop (»Er nutzt sein Amt zur Profilierung«) für Unruhe gesorgt. Nach einer Aussprache mit Prokop (»Das Thema ist erledigt«) hatte sie sich abgeschottet.
Sie habe die Öffentlichkeit gemieden, »weil ich einfach den Kopf für meinen Wettkampf frei haben wollte.« Nerius: »Das haben wir in unserem Gespräch auch so vereinbart, denn es wären mit Sicherheit wieder Fragen zu meinem Interview gekommen, und das wäre für die Vorbereitung einfach nicht gut gewesen.«
Schließlich träumt die WM-Dritte von 2003 und EM-Zweite von 2002 immer noch von dem großen Wurf. »Natürlich schiele ich auch auf die Goldmedaille«, sagte Steffi Nerius. Eine Medaille will sie auf jeden Fall. Allerdings seien die Wetter-Bedingungen sehr schwer. »Ich habe weniger Probleme mit dem Regen, sondern mehr mit dem Wind. Doch ich denke, dank meiner stabilen Technik wird es schon klappen.« Keine Beeinträchtigung erwartet sie durch zuletzt aufgetretene Rückenprobleme: »Ich denke, dass wir die Probleme im Griff haben.«
Nachdem die Leverkusenerin drei Mal knapp am großen Medaillenziel vorbei geworfen hat, stimmt allemal die sportliche Voraussetzung: In zehn Wettkämpfen vor der WM blieb die Diplom-Sportlehrerin ungeschlagen und steht mit 66,43 Meter auf Platz drei der Weltbestenliste. Nur Olympiasiegerin Osleidys Menéndez (68,47) und Sonia Bisset (67,67) waren besser.
»Ich bin nicht so blauäugig und gehe davon aus, dass meine Serie einfach weitergeht«, meinte Nerius, die durch das Silber von Athen an Selbstbewusstsein gewonnen hat: »Ich bilde mir ein, dass die Kubanerinnen nicht unschlagbar sind.« Um dies zu schaffen, hat sie sich nicht nur physisch, sondern auch mental vorbreitet: »Und zwar jeden Tag eine halbe Stunde. Ich schaue mir dann immer meinen letzten Versuch von Athen an.«
Das schlechte Wetter in Finnland könnte die Chancen von Nerius und Christina Obergföll von der LG Offenburg erhöhen. »Die Kubanerinnen lieben die Hitze mehr als die Kälte, das könnte ein Vorteil sein«, hofft die neun Jahre jüngere Nerius-Mitstreiterin, aber »etwas Muffensausen habe ich schon«, so die Studentin für Sport und Englisch, die mit 64,69 m Vierte der Welt ist.

Artikel vom 12.08.2005