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Ärzte weisen Vorwürfe zurück

Wenig Möglichkeiten für drastische Einsparungen bei der Verschreibung

Berlin (dpa). Die niedergelassenen Ärzte sehen angesichts der Ausgabenexplosion bei Arzneimitteln nur wenig Möglichkeiten für drastische Einsparungen bei der Verschreibung.

»Es ist nicht so, dass 120 000 Ärzte in jedem Fall optimal verordnen«, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl, gestern in Berlin. Jedoch ließen sich durch gezielte Beratung kaum Milliarden sparen. Die Krankenkassen hatten die Ärzte zu einer stärkeren Kostendämmung aufgerufen.
Die Arzneimittelausgaben waren im ersten Halbjahr 2005 um ein Fünftel auf elf Milliarden Euro geklettert. Der Ärzteverband Hartmannbund wies Vorwürfe der Kassen zurück, dass die Mediziner wegen zu vieler und zu teurer Verordnungen dafür verantwortlich seien. Die Ausgaben seien im Vergleichszeitraum 2004 sehr niedrig gewesen, sagte der Vorsitzende Hans-Jürgen Thomas. Viele neue, aber auch teurere Medikamente hätten zudem deutlich weniger Nebenwirkungen, was im Interesse der Patienten sei.
Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) rief die Ärzte zu mehr Kostendämmung auf. »Die Verschreibungspraxis sollte sich ändern«, sagte DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher. Nötig sei eine »gewisse Disziplin«, die Arzneimittel nicht als Marketinginstrument zu verwenden. Rebscher verlangte einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Medikamente von sieben Prozent. »In anderen Ländern gibt es gar keinen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel.«
Der DAK-Vorsitzende forderte auch die Abschaffung der Naturalrabatte, die die Industrie den Apothekern einräumt. Sie würden nicht an die Kunden weitergegeben. Der Zwangsrabatt, den die Hersteller auf verschreibungspflichtige Arzneimittel geben müssen, wurde 2005 von 16 auf sechs Prozent gesenkt. Das kritisierte Rebscher, da ein Rabatt von 16 Prozent die Kostensteigerungen minimieren könne. Im Gegenzug waren Höchstpreise vereinbart worden, die Kassen zahlen.
Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach machte die Pharmabranche für die steigenden Kosten verantwortlich. Die Pharmafirmen versuchten, »den Spielraum bei der Beitragssatzsenkung jetzt für höhere Gewinne zu nutzen. Er verlangte, teure Medikamente ohne zusätzlichen Nutzen nicht auch hoch zu vergüten.
Am Dienstag hatte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, Ärzte und Krankenkassen zu einer stärkeren Begrenzung der Arzneimittelausgaben aufgerufen. »Ich erwarte von der Ärzteschaft und den Kassen, dass sie das, was gemeinsam vereinbart worden ist, besser umsetzen als sie es bisher gemacht haben«, sagte Schröder. Das sei kritikwürdig. Mit der Einführung von Festbeträgen sei jedoch ein wichtiger Schritt getan worden.
Die Ausgabenexplosion wird sich nach Ansicht des Staatssekretärs nicht so fortsetzen. »Ich gehe davon aus, dass sich der Trend im zweiten Halbjahr nicht fortschreiben wird.« Beim Vergleich des ersten Quartals 2005 mit dem Vorjahresquartal müsse auch der Vorzieheffekt von Ausgaben auf 2003 vor Beginn der Gesundheitsreform berücksichtigt werden. Bestimmte Effekte wie erhöhte Zuzahlungen der Patienten blieben bestehen. Im kommenden Herbst sei zudem nicht mit einer solchen Grippewelle wie im Winter zu rechnen.
Der Staatssekretär lehnte die Forderung einzelner Kassen nach einer Erhöhung des Zwangsrabattes ab. »Bevor man nach einer Rabatterhöhung schreit, sollte man das, was das Gesetz bietet, in den eigenen Reihen anwenden und nutzen«, sagte Schröder.
Die Verhandlungen zwischen Ärzten und Kassen über Kostendämpfungen waren im Juli vorläufig gescheitert. Um eine Ausgabenexplosion zu verhindern, hatten Ärzte, Kassen und Apotheker im Dezember 2004 vereinbart, dass vermehrt bewährte statt teure Medikamente verordnet werden sollen.

Artikel vom 12.08.2005