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Fest im Glauben, herzhaft zupackend

Spannende Lektüre: Vier Diakonissen aus Bethel schildern ihre Arbeit in fremden Ländern

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bethel (WB). Für Schreckensmeldungen ist Afrika immer gut, Kolonialkriege, Stammesfehden und Seuchen haben den Schwarzen Kontinent zerrissen. Im Herz der Finsternis brennen aber auch Lichter - Glaubenslichter: Martha Pfalzgraf hat 22 Jahre lang segensreich in Tansania gewirkt. Ein Buch beschreibt die Arbeit vierer Diakonissen aus Bethel.

Ins ehemalige Tanganjika, in jene Region, in der Forscher die Wurzeln der Menschwerdung vermuten, führt der erste der hochspannenden Berichte, in deren Mittelpunkt eine mutige Frau steht. Dieser Mut ließ »Ma Maritha« im bürgerkriegsgeschüttelten Ostafrika nicht verzagen, er half Lydia Truse im sozialismusgeplagten, nicht unbedingt deutschfreundlichen Polen und Elfriede Böckstiegel im misstrauischen Ungarn, und er gab Helga Swoboda im verschlossen-fremden Indonesien Kraft - eine Kraft, die sich aus der tief empfundenen Nähe zu Gott speiste.
Denn eines machen die vier Diakonissen in ihren Aufzeichnungen und Briefen deutlich: Ohne Halt im christliche Glauben hätten sie ihre schwere Aufgabe in der Fremde wohl nicht erfüllen können. Nahrung zu organisieren für die Verhungernden in Tanganjika/Tansania, verfolgten polnischen Ordensschwestern seelischen Beistand zu leisten, Alten- und Behindertenbetreuung in Ungarn, Mission in Indonesien: »Ich habe an mir selbst erfahren, daß die ÝSeele eine dünnere Haut bekommtÜ, wenn man weit von zu Hause wohnt, unter Menschen, die anders reagieren«, schrieb Helga Swoboda 1973 an die Ev. Mission.
Was diesen sorgfältig geschriebenen, mit Fotos wie aus dem Familienalbum liebevoll gestalteten Band über seine religiöse Komponente hinaus lesenswert macht, sind die aus jeder Episode sprechenden historischen Bezüge. Was in der »Tagesschau« nüchterne - ernüchternde - Faktendarstellung bleibt, füllt sich hier mit Leben. Der Leser begleitet die aufmerksam beobachtenden, herzhaft zupackenden Frauen zu den Menschen, wuchtet Maissäcke aus Lastkraftwagen, nimmt Trostsuchende in die Arme und badet Gebrechliche: Geschichte nicht in Daten und Fakten, sondern aus Fleisch und Blut.
Erläuternde Überblicksdarstellung und individuelle Schilderung, zumeist in Briefen, gehen eine glückliche Verbindung ein. Biographische Passagen erhellen den Werdegang und die Charakterzüge der Frauen. Jedes der vier Kapitel wird beschlossen durch einen Kommentar von Bethel-Mitarbeitern, die später an den gleichen Orten tätig wurden wie die Porträtierten. Sie helfen dabei, die Erzählungen in einen größeren Kontext einzurücken.
Martha Pfalzgraf (92) aus Frielendorf/Kassel, Lydia Truse (90) aus Gütersloh, Elfriede Böckstiegel (84) aus Anrath/Kreis Krefeld und Helga Swoboda (69) aus Bielefeld leben heute im Feierabend. Wer glaubt, kirchliche Arbeit sei weltabgewandt, nehme dieses Buch zur Hand. Spannender, aufrüttelnder - auch lehrreicher - können Erinnerungen kaum sein.
Anne Kitsch (u.a.): »In alle Richtungen - Schwestern weltweit«; Bethel-Verlag Bielefeld 2005, 208 Seiten, 14,70 Euro.

Artikel vom 11.08.2005