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Pilgertreffen
oder doch nur
Papst-Hysterie?

Mammutereignis Weltjugendtag

Köln (dpa). Papst-Spektakel oder Pilgertreffen mit Tiefgang, dogmatische Belehrung oder Dialog mit jungen Christen? Der katholische Weltjugendtag löst im Vorfeld gemischte Gefühle aus. Unbestritten ist, dass das Treffen in der nächsten Woche ein Mammutereignis wird.
Beim Weltjugendtag sind alle Augen auf Papst Benedikt XVI. gerichtet

Benedikt XVI., der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren, besucht sein Heimatland. 600 Bischöfe begleiten ihn auf seiner ersten Auslandsreise, 4000 Journalisten berichten. 400 000 junge Leute kommen auf der Suche nach religiöser Inspiration nach Köln, 800 000 Gläubige werden zur Abschlussmesse erwartet.
Zu diesem Weltjugendtag hatte noch Papst Johannes Paul II. eingeladen. Auch wenn viele Jugendliche mit seinen Glaubensaussagen etwa zu Sexualität oder Frauenpriestertum wenig anfangen konnten - Johannes Paul II. zog sie in seinen Bann. Er galt als Prediger gegen Krieg und für Gerechtigkeit.
Nun richten sich alle Augen auf Benedikt XVI. Nicht nur die Katholiken, auch die Medien werden genau darauf achten, wie er wirkt auf die Teilnehmer des Weltjugendtags, was von ihm ausgeht, wenn er vom »Papsthügel« auf dem Marienfeld am 21. August bei der Abschlussmesse zu der in der Ebene versammelten riesigen Gemeinde spricht. Ob auf dem Rheinschiff bei der Ankunft, bei Audienzen mit Bundeskanzler und Oppositionschefin, beim Besuch einer Synagoge oder beim Gespräch mit Muslimen - immer wird der Papst im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Skeptiker befürchten schon, der eigentliche Anlass der Papstreise, das Treffen mit dem christlichen Nachwuchs aus aller Welt, könnte dadurch ins Hintertreffen geraten. »Es könnte sein, dass die Jugendlichen etwas zur Staffage werden«, warnt Knuth Erbe, der Vorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend. Und Christian Weisner von der Reformbewegung »Wir sind Kirche« meint: »Es besteht die große Gefahr, dass es wieder nur ein Papst-Event wird.«
Die Organisatoren halten dem die vielen religiösen Programmpunkte entgegen. Wenn sie nicht so spektakulär seien wie die Auftritte des Papstes und deshalb von der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen würden, bedeute dies noch lange nicht, dass die geistliche Dimension zu kurz komme. »Ich kenne keine Großveranstaltung mit so vielen Momenten der Stille und des Nachdenkens«, sagt Prälat Heiner Koch, Generalsekretär des Weltjugendtags.
Ihnen werden Kreuzwegandachten und Beichten, Musikfestivals und Begegnungen geboten. Aus dem Kölner Dom verschwinden die Bänke, damit jeden Tag mehr als 100 000 Jugendliche, unbehelligt von Touristen und begleitet von Chormusik, zum Dreikönigsschrein pilgern können. Bischöfe aus aller Welt erklären in vielen Sprachen in Katechesen den katholischen Glauben.
Manche fürchten, es werde nur einseitige Belehrungen geben und ein echter Dialog über Sexualität, Schwangerschaftskonflikte oder Globalisierung komme nicht zu Stande. »Nur wenn die Themen, die junge Menschen in aller Welt existenziell betreffen, offen und selbstbestimmt diskutiert werden, wird der katholische Weltjugendtag seinem Anspruch gerecht«, mahnt Tobias Raschke von »Wir sind Kirche«. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner ist aber sicher, dass die Bischöfe viel von den Ansichten junger Christen mitbekommen werden: »Wenn ein Bischof davor Lampenfieber hat, kann ich das verstehen, aber dann wird die Katechese gut.«

Artikel vom 11.08.2005