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Lecker essen in Britannien
Wer die richtigen Adressen kennt, bekommt »auf der Insel« erstklassige Kost
Essen in Großbritannien ist besser als sein Ruf. Wer hat eigentlich die Legende in die Welt gesetzt, Briten könnten nicht kochen? Es ist an der Zeit, das richtig zu stellen!
Natürlich wäre es ein Leichtes, dies von London ausgehend zu tun, denn dort gibt es Hotels von Weltgeltung und wahrlich exzellente Restaurants. Nein, hier geht es um das durchschnittliche Großbritannien, wo es vieles zu entdecken gibt. Zum Beispiel Fish'n'Chips. Es ist zwar das Fast-Food-Essen Nummer eins - doch ein ordentlicher Imbiss bietet immerhin die Auswahl zwischen Seehecht, Rotbarsch und Kabeljau, und die dicken Kartoffelstückchen triefen nicht vor Fett.
Okay, ob man das Mahl mit Essig würzen will, muss jeder selbst entscheiden. Tatsache ist aber, dass man auf der Pier von Brighton Fish'n'Chips ganz stilecht in der Zeitungstüte und dazu ein prickelndes Glas Champagner serviert. A propos Brighton: Dort gibt es eine bunte Gastro-Szene - das reicht von typischen Pubs über diverse indische Gasthäuser bis hin zu vegetarischen und sogar veganischen Restaurants.
Doch gibt es regional typische Spezialitäten und so etwas wie ein Bewusstsein für Essen als sinnlichen Genuss? Ein paar Tage in Wales können helfen, Vorurteile abzubauen, ja, in ihr Gegenteil zu verkehren. Unmittelbar an der Straße, die vom Marktplatz zur Kathedrale von St. Davids führt, liegt rechter Hand eine Eisdiele, wo es Leckereien wie »Ingwer- und Brandy«-Eis oder »Weihnachtspudding«-Eis gibt - sahnig, lecker, mit vielen Knusper- und Knabberingredienzen. Das »Sloop Inn« am Hafen von Porthgain ist eine exzellente Anlaufstelle für Meeresfrüchte. Laverbread (Seetang) und Cockles (Muscheln) bekommt man vielerorts in Wales, aber im King Arthur Hotel auf der Halbinsel Gower schmecken sie besonders kräftig, weil sie mit Speck angereichert werden.
Eine kulinarische Entdeckungsreise kann man auf der Lower Haythog Farm in Spittal starten, wo Gastgeberin Nesta Thomas und ihre Schwiegertochter Jocelyn nicht nur »Bed & Breakfast« bieten, sondern exzellente Dinner in privater Atmosphäre. Ein warmer Salat aus Avocados mit Speck und würzig-süßer Vinaigrette gefällig? Ein gefülltes Hühnerbrüstchen in hauchdünnem Blätterteigmantel an grüner Sauce mit gedünstetem Lauch und Flaschenkürbisgemüse? Und zum Finale ein grandioses Schokoladenparfait von himmlisch sahniger Konsistenz? Natürlich setzen Nesta und Jocelyn auf saisonale heimische Produkte und produzieren sie auf ihrer Farm unter ökologischen Gesichtspunkten. BSE hat in Großbritannien für ein Umdenken gesorgt.
Natürlich gibt es auch rustikale Gerichte: »Cawl« ist die walisische Variante der Minestrone. Bernard Llewellyn von Cerreg Cennen Castle bei Llandeilo bietet sie Besuchern nach der Erkundung der Schlossruine an. »Das haben die Bauern der Region alltags gegessen, nur sonntags gab es Fleisch.«
Leckermäuler, die rustikale Küche schätzen, kommen auf ihre Kosten, wenn sie »Welsh Rarebit« bestellen. Der Begriff »Rarebit« erinnert phonetisch daran, dass die Engländer stets behaupten, Waliser seien so arm, dass sie sich höchstens Kaninchen (rabbit) leisten könnten. In Wahrheit verbirgt sich dahinter ein deftig belegtes, mit Käse überbackenes Brot. Im »Chandlery Restaurant« von Newport kann man das Gericht im Gebäude eines ehemaligen Schiffsausrüsters probieren.
»The Bear Hotel« in Crickhowell ist ein weiterer Anlaufpunkt für Feinschmecker. Seit 1432 werden dort Gäste versorgt. Lamm mit Minzsauce, ein Gratin von Edelfischen und Meeresfrüchten, Kabeljaufilet auf Spinat und mit Waliser Cheddarkäse überbacken, Gebackene Blutwurst -Êfür jeden Geschmack ist etwas dabei! Thomas Albertsen

Artikel vom 06.08.2005