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Zukunft steht in Sternen

Fällt Flüchtlingsberatung Sparmaßnahmen des Landes zum Opfer?

Von Judith Frerick
Harsewinkel (WB). Jeder ist an seinem Standort ein Einzelkämpfer. Maria Daut auch. Und das schon seit sieben Jahren. Sie ist in Harsewinkel am Prozessionsweg 10 Flüchtlingsberaterin der Awo. Ein nicht immer ganz einfacher Job. Jetzt spricht sie über ihre Arbeit und zieht eine Bilanz. Dabei weiß sie noch nicht, ob und wie es mit der Beratung weitergeht. Hintergrund sind die Sparmaßnahmen des Landes.

Flüchtlinge aus insgesamt 15 Nationen kommen regelmäßig in ihre psychosoziale Anlaufstelle. Dabei deckt Maria Daut die gesamte Bandbreite an Fragen rund um Asylverfahren, Aufenthaltsrecht und die Abschiebung ab. »Mein Schwerpunkt liegt in der Arbeit mit traumatisierten Menschen - meist sehr schwierige Fälle, die das Erlebte über Jahre nicht verarbeiten können. Andererseits geht es auch um Fragen der Unterbringung, Diskriminierung, Berufe und Ausbildung«, sagt die Diplom-Pädagogin. Ihr erklärtes Ziel ist die individuelle Beratung. Dabei bezieht sie auch das Umfeld ein und ist eine Art Vermittlerin zwischen den Flüchtlingen und den Ämtern.
Sie hat schon viele Flüchtlinge kommen und gehen sehen. Sehr viele Personen sind in den vergangenen sieben Jahren abgeschoben worden, haben Harsewinkel freiwillig verlassen oder sind schlicht und ergreifend untergetaucht. Über diffuse Umwege erfährt Daut manchmal, dass die Untergetauchten in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien oder Österreich leben. »Aber genau weiß man das ja nie«, so Maria Daut. Die meisten Flüchtlinge werden abgeschoben. Einige wenige Abschiebungen konnten verhindert werden. »Das waren heftige Fälle«, sagt Maria Daut.
Und wie funktioniert die Verständigung? »Manchmal mit Händen und Füßen, oft über die russische Dolmetscherin der Stadt oder über Englisch. Ich mache aber auch immer auf die Deutsch-Kurse aufmerksam, die von einigen besucht werden«, antwortet die Diplom-Pädagogin.
Engen Kontakt hält die Marienfelderin nicht nur zu den Flüchtlingen, sondern auch zu den Arbeitskreisen der Awo und der Region Ostwestfalen-Lippe. »Ein Austausch ist hier sehr wichtig. Schließlich wird das Leben der Flüchtlinge von vielen Unsicherheiten bestimmt«, meint Maria Daut, die zwischen 140 und 150 Personen zur Seite steht. »Ganz am Anfang, also vor sieben Jahren, habe ich 200 Personen beraten. Die Zahlen sind also in Harsewinkel eindeutig rückläufig«, bilanziert die Harsewinkeler Flüchtlingsberaterin. Gleichzeitig weiß sie aber auch, dass die Fluktuation sehr niedrig ist.
Teilweise über Jahre betreut Maria Daut ihre »Schützlinge«. Ist denn da überhaupt noch eine Beratung notwendig? »Ja sicher. Viele Flüchtlinge sind schwerst traumatisiert. Sie können das Erlebte nicht so schnell verarbeiten, geschweige denn vergessen«, weiß die Diplom-Pädagogin, die jetzt genauestens Buch zu führen hat. Controlling nennt sich das in Behördenkreisen. Sprich: Maria Daut muss für das Land Nordrhein-Westfalen eine Strichliste machen, die Aufschluss über das Land, das Alter und einige andere Punkte des Betreuten gibt. »Die Effektivität der Beratung ist dadurch aber nicht messbar«, ist sich Daut sicher, die auch noch auf die derzeitigen Flüchtlingsunterkünfte eingeht: Untergebracht sind die Menschen am Prozessionsweg 10, an der Paul-Keller-Straße und an der Schulstraße.
Wie lange es die Flüchtlingsberatung in Harsewinkel noch geben wird, steht in den Sternen. Auf Grund der angekündigten Sparmaßnahmen der neuen Landesregierung ist offen, ob dieses Angebot Bestand haben wird. Näher dazu äußern konnte sich die Flüchtlingsberaterin freilich noch nicht: »Ich weiß nicht, wohin die Reise geht«.

Artikel vom 29.07.2005