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Der »Fernsehball« rollt um die Welt

Zur WM 2006: Museum plant Ausstellung über früheren Steinhagener Sportartikelhersteller BOS

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Ein Mann aus Steinhagen hat dem runden Leder zur TV-Karriere verholfen. Unternehmer Otto Bierstedt hatte 1961 die Idee, den unscheinbar beige daherkommenden Fußball in kontrastreiches Schwarz und Weiß zu hüllen, um ihn für die Kameras erkennbarer zu machen. Der »Fernsehball« wurde berühmt und machte die kleine Steinhagener Firma BOS zum Weltunternehmen. Zur WM 2006 kommt er nun ins Museum.

Gemeinsam mit Vorsitzendem Dieter Flöttmann und dem Steinhagener Historischen Museum planen zwei Urenkel des Sportartikelfabrikanten, Wolfgang Deike und Monika Wüllner, im kommenden Jahr zur Fußballweltmeisterschaft eine Ausstellung. »Unsere Familie kann nichts wegwerfen. Wir hatten noch so viel altes Material im Keller«, schildert Wolfgang Deike. Ein Glücksfall für das Museum: So finden sich alte Fotos und Dokumente, die Bälle natürlich - auch als un- oder halbfertige Rohlinge -, Schriftzügen, Stempel und vieles mehr. Wertvolle Exponate, die eine Firma vorstellen, die in den 60-er Jahren riesige Erfolge feierte, die aber Ende der 70-er an der Billigkonkurrenz aus dem Ausland verzweifelte und im Branchenriesen Mecanor aufging.
Der »Fernsehball« ging um die Welt. Selbst bei der Fußball-WM 1966 in England war das runde Leder »made in Steinhagen« mit im Spiel. Und der DFB hatte die Stärken des 32-teiligen schwarz-weißen Fußballs im beginnenden Fernsehzeitalter längst erkannt und machte diese Form zum Standard.
Besonders gerne spielte Uwe Seeler mit dem erfolgreichen Produkt der BOS Sportartikelfabrik, denn er war von 1961 bis 1975 Repräsentant der Steinhagener Firma. Ebenso wie der jugoslawische Nationaltorhüter Petar Radenkovic. Mit dem berühmten HSV-Spieler, das war aber schon eine besondere Beziehung, erinnern sich die Urenkel, die in und mit der Firma groß geworden sind: »Unser Urgroßvater hatte auch ein persönliches Verhältnis zu Uwe Seeler. Darauf war er sehr stolz«, erzählt Wolfgang Deike. Der Hamburger reiste nicht nur zu offiziellen Gelegenheiten an, er nahm auch am Familienleben teil, feierte etwa Geburtstage mit.
Aus allerkleinsten Anfängen hatte Otto Bierstedt (1898 bis 1978) sein Unternehmen aufgebaut. Einen Sportartikelmarkt gab es so gut wie gar nicht: Wagemutig war es also schon, als der gelernte Sattler 1920 beschloss, fortan Fußbälle herzustellen. Zunächst in Bremerhaven, seit 1934 in Steinhagen. Der Krieg unterband jegliche Unternehmung, und so nahm Otto Bierstedt erst 1947 den Faden wieder auf, ließ 1950 seine Firma BOS Sportartikelfabrik ins Handelsregister eintragen. Nun rollte das runde Leder, der Betrieb, ansässig an der Bodelschwinghstraße, spielte sich erfolgreich in die »erste Liga« der Sportartikelhersteller. Die Fertigung wurde nach Künsebeck verlegt in Gebäude, die heute Teil des Sengewald-Geländes sind. 30 festangestellte Mitarbeiter sowie unzählige Heimarbeiter beschäftigte BOS in Spitzenzeiten in den 60-er Jahren.
Nicht nur Fußbälle verließen die Vertriebshallen in Steinhagen. Auch in Sachen Hand-, Faust- und Volleybälle, selbst mit Rugby-und vor allem auch mit Medizinbällen war das Unternehmen stark. Doch die Herstellung war aufwändig, (bis auf das Ausstanzen und Walzen der Lederecken) reine Handarbeit: »Eine regelrechte Kunst war es schließlich, die letzte Naht an einem Ball zu setzen«, erinnert sich Wolfgang Deike. Eine Wissenschaft für sich war auch der Faden: Mit einem Gemisch aus Pech und Wachs behandelt wurden die Nähte am Ende weichgebürstet, damit keine doppelten Bahnen sichtbar wurden. Pure Qualitätsarbeit, die mit Weltmarktpreisen irgendwann nicht mehr Schritt halten konnte . . .

Artikel vom 29.07.2005