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Handwerk muss mit seinen Pfunden wuchern

EU-Kommissar Verheugen will Bürokratie entrümpeln - Hilfestellung für Kammerspiele

Von Rüdiger Kache (Text)
und Wolfram Brucks (Foto).
Paderborn (WV). Wenn der Vizepräsident der Europäischen Union sich höchstselbst darum kümmern will, dass es vorwärts geht mit dem Bau der Kammerspiele, dann kann eigentlich nichts mehr schief laufen. Günter Verheugen, prominenter Festredner beim Tag des Handwerks, sicherte im Rahmen seiner Möglichkeiten Hilfestellung zu. Bekanntlich blockiert Brüssel zurzeit wegen möglicher Verletzung der EU-Vergaberichtlinien das 25-Millionen-Projekt von Volksbank und Stadt.

Vor 1522 Gästen in der Paderhalle - das ist absoluter Rekord - hatte Bürgermeister Heinz Paus in seinem Grußwort gestern noch einmal sehr eindringlich betont, dass die Volksbank als Bauherr die Aufträge an heimische Unternehmen vergeben wolle und nicht europaweit ausschreiben werde. »Wenn Brüssel nicht einlenkt, gibt's diese Kammerspiele nicht«, so sein unmisverständliches Fazit.
Bei EU-Kommissar Verheugen rannte das Stadtoberhaupt mit seiner Forderung nach weniger Bürokratie buchstäblich offene Türen ein. Macht sich Verheugen doch seit einigen Wochen zur Galionsfigur von Entrümpelung überflüssiger Vorschriften und Hemmnisse in Europa und zum lautstarken Verfechter besserer Bedingungen für Klein- und Mittelbetriebe, also der klassischen Domäne des Handwerks. Er werde kein neues Vorhaben mehr zulassen, das nicht auf dem Prüfstand der Wettbewerbsfähigkeit gerade von Klein- und Mittelbetrieben getestet worden sei.
Mit hoch erhobenem Zeigefinger und sehr engagiert warnte er jedoch davor, Brüssel für Versagen eigener nationaler Politik oder fehlender Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht zuzuschustern. Allen voran die Bundesrepublik habe seit 50 Jahren für die Globalisierung gekämpft. »Wenn nun der Wettbewerb wächst und der Wind rauer wird, muss man sich den Veränderungen stellen und nicht andere dafür verantwortlich machen.« Und: »Wenn wir in Deutschland nicht lernen, wieder eine kinderfreundliche Gesellschaft zu schaffen, sind wir ein Volk ohne Zukunft, alternd und schrumpfend.«
Jeder Bürgermeister und Landrat sei heute auch Europapolitiker, forderte er mehr Weitblick für gemeinsame Perspektiven ein. Nun gelte es, die Innovationskraft und das Qualitätsniveau deutscher Handwerksbetriebe grenzübergreifend anzubieten und Trends nicht zu verschlafen. »Mit diesem Pfund müssen wir wuchern.«
In seiner Begrüßung hatte Kreishandwerksmeister Lorenz Bolley dazu aufgefordert, in einer neuen EU-Verfassung den Gottesbezug für eine christliche Werteorientierung zwingend festzuschreiben und Erzbischof Hans-Josef Becker sprach sich für eine europäische Wirtschaftsordnung mit klarer sozialer und ethischer Dimension aus. Hauptgeschäftsführer Josef Tack schließlich dankte den Spitzen des deutschen und europäischen Handwerks dafür, dass sie Paderborn mit der Gründung des EU-Planungsausschusses für einen Tag zu ihrem Zentrum gemacht hätten Bericht im Wirtschaftsteil

Artikel vom 29.07.2005