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Auf dem Berg
fliegen Fäuste

Gegen Profis in den Ring steigen

Von Jens Twiehaus (Text und Fotos)
Paderborn (WV). Harry Grabowski ist ein Mann wie ein Baum. Nicht wie eine Birke oder eine Tanne, nein, wie eine massive Eiche. Er war am Montagabend der Top-Herausforderer in Charly SchultzÕ Boxbude auf dem Liboriberg.

Nur drei Boxbuden ziehen heute noch durch Deutschland. »Paderborn ist in jedem Fall ein Top-Platz«, weiß Charly Schultz (45). Am vergangenen Wochenende hat er täglich zwölf Shows gemacht. Damit der Laden brummt, packt gleich die ganze Familie mit an. Bruder Hans-Herbert moderiert, die Frau sitzt an der Kasse, Tochter und Sohn arbeiten im Zelt.
Und dort geht die Post ab. Akademiker sitzen dort neben Arbeitslosen, kleine Kinder und alte Herren bauen sich rund um den Boxring auf. Und erleben gleich einen feurigen ersten Kampf. Ein junger Russe - die 500 Euro Prämie vor Augen - stürmt wie von der Tarantel gestochen los und drängt seinen Gegner in die Ecke. Doch in den zwei mal zwei Minuten kann er keinen gefährlichen Treffer landen. Am Ende steigt er mit blutiger Nase über die Seile.
Im zweiten Kampf kommt der Herausforderer kaum aus seiner Deckung heraus, der Dritte startet mit einem Kraftschlag des Laien. Applaus brandet im Zelt auf, das 400 Leuten Platz bietet und gerade halb voll ist. »In die Leber«, brüllt Charly Schultz seinem italieni-schen Boxer Mario Martini zu. Doch weder dieser, noch der vierte Kampf endet mit K.O.
Aber dann stampft Harry Gra-bowski in den Ring. Grabowski - das sind 300 Pfund Lebendgewicht, Hände wie Bärentatzen und Ober-arme wie manch einer Oberschenkel hat. Sein Beruf: Metzger. Der erste Schlag - ein Desaster für Grabowski. Er taumelt nach hinten, fliegt in die Seile und fast in die Zuschauer. Schmerzen verzerren sein Gesicht.
Zornig rappelt er sich noch einmal auf, prügelt seinen Kontrahenten mit zwei, drei Schlägen windelweich. Und dann - krawumm - trifft er sein Gegenüber aus Luxemburg mitten ins Gesicht. All seine Kraft hat er in diesen Schlag gelegt. Tosender Beifall und Schreie schallen durch das rot-gelbe Zelt, als der Profi krachend auf die Bretter schlägt. Grabowski erhält seine 50 Euro Prämie und schnappt nach Luft.
Das Publikum geht zufrieden aus der Arena. Nach einem Erlebnis, das zwischen Breakdancer und Musikexpress keinesfalls veraltet daher kommt.
Charly Schultz liegt als früherer internationaler Meister von Lu-xemburg nicht nur das Boxen im Blut. »Als ich dir eben 1000 geboten hab, bist du gelaufen«, raunzt er einen jungen Mann vor seiner Bühne an. Ein lockeres Mundwerk hat er von seinen Eltern, einem Schaustellerpaar, das früher Frauen ohne Unterleib auf Jahrmärkten präsentierte.
Schultz müht sich, die Schaulustigen in sein Zelt zu locken. Er tigert von links nach rechts über die Bühne, erklärt immer wieder die Regeln und lockt mit Extra-Prämien.
Doch warum trauen sich immer wieder welche in den Ring? »Die wollen sich beweisen. Und manche ans große Geld«, erklärt Schultz. 50 bis 250 Euro Prämie gibt es im Normalfall, 2000 Euro sind es sogar, wenn man alle sieben Boxer schlägt. »Manchmal kommen auch Unternehmer, die ihrer Belegschaft zeigen wollen, was sie drauf haben.« Und wenn einer den Mund mal zu weit aufmacht? »Dann sag ich meinen Jungs: âHau dem mal ordentlich einen mit der RechtenÕ.«

Artikel vom 27.07.2005