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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (131. Folge):Libori-Besuch bei Wilhelm Sasse


Meine letzte Begegnung mit Stadtdirektor a. D. Wilhelm Sasse hatte ich in der Liboriwoche vor zehn Jahren. Der Paderborner Verwaltungschef von 1952 bis 1971 verbrachte seinen Lebensabend im Westphalenhof an der Giersstraße. Mit zunehmenden Alter war Sasse auf die Schattenseite des Lebens gelangt.
Wir erinnerten uns in 30 überraschend angeregten Minuten an manche Begebenheit. 1952 erstes Kennenlernen am Rosentor bei der Eröffnung der Liboriberg-Fahrbahn. Wir sprachen über stürmisches Wachsen der Paderstadt, für das er als Makler und Planer der 50er und 60er Jahre hauptverantwortlich war.
Der Anfang der Stadterweiterung in Richtung 2000 wurde mit dem »Meierschen Plan« zwischen Husener Straße und Querweg gemacht, dem neuen »Villen-Viertel der Südstadt«. Im Osten wuchsen die Wohngebiete bis zum Berliner Ring, in der Stadtheide wurde der Exerzier- und Sportplatz Neubaugebiet. Erste Industrieansiedlungen dann östlich der Borchener Straße auf dem früheren Flugplatz. Der Ostwestfalenplan der CDU-Landesregierung Karl Arnold unterstützte finanziell den Ausbau des Oberzentrums. Sasse holte Heinz Nixdorf zurück nach Paderborn.
Draußen läuteten im Juli 1995 die Glocken zum Liborifest, aus seinem Fenster schaute Wilhelm Sasse auf Blumen und Grün im Innenhof. Zwei Jahrzehnte lang war er ehrenamtlicher Vorsitzender des Kuratoriums Westphalenhof. Dorthin ist er 1994 zurückgekehrt. Der starke Mann der Verwaltung wurde zum Bewohner dieser segensreichen Einrichtung in der Giersstraße, als Patient angewiesen auf die Hilfe von Schwester Ruth und lieber Leute.
Auf der Kommode entdeckte ich inmitten vieler Farblichtbilder aus der Familie ein Schwarz-Weiß-Foto, das ich genau 30 Jahre zuvor »geschossen« hatte. Es zeigt das Ehepaar Sasse mit dem Bundespräsidenten Heinrich Lübke und dessen Gattin Wilhelmine anlässlich des Libori-Besuches 1965. »Das waren große Ereignisse für Paderborn«, bezogen wir auch das Treffen der britischen Königin Elizabeth II und des Bundespräsidenten Walter Scheel im Juli 1977 ein.
Wilhelm Sasse, jahrelang auch für Paderborn einsatzfreudiges Mitglied der westfälischen Landschaftsversammlung und des Straßenbauausschusses, war stets der Mann der klaren Worte. Kundige Ratsmitglieder wurden zu »Kulturvögeln«. Und für ihn war in Verhandlungen in Düsseldorf bei der Landesregierung die FDP-Fraktionsvorsitzende Ellen Rost wichtiger als »drei CDU-Schulmeister«. Ihm ist das Zusammenführen aller Parteien im Rat zu einer »Fraktion Paderborn « zu verdanken. Das wurde gleichermaßen in Bonn wie in Düsseldorf und Münster akzeptiert und auch honoriert.
Im August 1992 hatte Sasse noch mit vielen Freunden in seinem Garten 85. Geburtstag gefeiert. Schützenoberst Karl Auffenberg hielt die launige Laudatio. Mit seinem Nachfolger Wilhelm Ferlings (ab 1971) und Werner Schmeken (ab 1991) gratulierte er mir zum 60. Überall wurde dem Verwaltungschef i. R. bescheinigt, dass er wichtige »Grundsteine für das Paderborner 2000« gelegt hat. Wir alle profitieren heute davon.
Stadtdirektor Wilhelm Sasse war ein Vollblutpolitiker. Sein Leben wurde 1969 getrübt durch eine inszenierte »Ehrung des Staates Israel«, ausgeübt vom »Enthüllungs-Journalisten« und Stasi-Mitarbeiter Günter Wallraf. Häme und Verdächtigungen in der nächsten Ausgabe des Hamburger Magazins »konkret«. Sein Wirken im Rechtsamt Münster in den 30er Jahren wurde öffentlich kritisiert. Stadtdirektor Dr. Werner Schmeken: »Es gibt keinen Ansatz, wonach der Paderborner Rat angebliche Aktivitäten Sasses während seiner Dienstzeit in Münster untersuchen müsste.«
Sasse starb 1996 als 89-Jähriger. An seinem offenen Grab in Lippstadt sagte Schmeken: »Denen, die glauben, bis über den Tod hinaus richten zu müssen, schenke der Herrgott die Gnade der Vergebung!« Georg Vockel

Artikel vom 27.07.2005