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90 Tonnen Wasser drücken ans Sielwehr

Stauanlage und Kokturkanal gibt es seit 1753 - Tägliche Kontrolle und Wartung

Von Bärbel Hillebrenner
(Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Mit bloßem Auge erkennt Klaus-Dieter Frey, ob sich der Wasserpegel der Werre verändert und damit die Wehrklappen einen anderen Stand als gestern haben. Seit 14 Jahren kontrolliert der Mitarbeiter des Staatsbades täglich das Sielwehr in Werste.

Der 54-Jährige kennt das Sielwehr und seine technische Anlage wie seine Westentasche. »Wenn man jeden Tag die Mechanik der Zahnräder überprüft, die Technik kontrolliert und die Anlage wartet, da sieht man doch sofort, wenn etwas nicht stimmt«, berichtet Klaus-Dieter Frey. So etwa wie vor drei, vier Jahren, als es einen großen Lagerschaden im Getriebe gab. Der musste genauso schnell behoben werden wie andere Defekte. Frey: »Das Sielwehr reguliert schließlich den Wasserstand.« Die vielen Hochwasser-Katastrophen vergangener Jahrhunderte und dessen Folgen sind in allen Archiven nachzulesen.
1753 wurde an der Werre in Werste das Stauwehr gebaut - und gleichzeitig der Kokturkanal, mit dessen Wasserkraft die Pumpen des Turbinenhauses betrieben werden sollten. Das Sielwehr und seine Technik haben sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert. In den Annalen heißt es: »Das erste wurde als Faschinenwehr gebaut. Faschinen sind walzförmige Strauchbündel aus Weidengeflecht. 1808 wurde es in ein steinernes Überfallwehr umgewandelt. 1864 erhielt es ein Nadelwehr. Die Nadeln waren dicht aneinander angeordnete Holzstäbe, die durch Herausziehen oder Schließen den Wasserstand an die geänderten Wasserverhältnisse der Werre anpassten. Der Sielwärter konnte das Wehr begehen und von dort aus seine nicht ungefährliche Arbeit verrichten.«
1902 wurde die Technik des Wehrs verbessert. Es wurden eine eiserne Hängebrücke und eine hölzerne Brückenbahn gebaut. Ein achteckiges Wärterhäuschen ist von dieser alten Anlage bis heute erhalten geblieben.
Das heutige Wehr stammt aus den Jahren 1956/57. Es handelt sich um ein zweiteiliges Stauklappenwehr, das in den beiden Häuschen am rechten und linken Ufer betrieben wird. Ein Schwimmer reguliert automatisch die Stellung und die Höhe der Klappen - je nachdem, wieviel Wasser gerade in der Werre fließt. Würde die Hydraulik nicht richtig funktionieren, würde das Flussbett entweder austrocknen oder umgekehrt die Ufer überlaufen. Meistens hat die Werre in diesem Bereich eine Tiefe von rund 1,50 Metern.
Mit Hilfe alter Eisen-Zahnräder werden die Klappen bewegt. Klaus-Dieter Frey: »Wenn es zum Beispiel im Lipperland regnet, ist das Wasser sechs Stunden später in Bad Oeynhausen.« Dann drücken schon mal 90 Tonnen Wassermassen gegen das Wehr. Auswirkungen auf die Fischtreppe hat die Staueinrichtung nicht.
Ändert sich der Pegel, dann rattern die Zahnräder in den Sielhäuschen los, langsam, schwerfällig, fast bedächtig. Damit nichts quietscht oder klemmt, werden die Eisenteile regelmäßig gewartet und vor allem geölt. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit am Wehr würde das Getriebe schnell einrosten. »Aus Sicherheitsgründen machen wir diese Arbeit zu zweit.«
Viel Unrat wird aus dem Oberlauf der Werre mit angeschwemmt. »Wir haben schon Autoreifen und Mülltonnen gefunden«, erinnert sich der Sielwärter. Dann wird das Wehr heruntergefahren, damit das sperrige Gut - auch ganze Baumstämme - über die Stufe herüber in den Wasserfall stürzen kann. Anschließend muss der Müll zu Fuß aus dem Fluss geholt werden, auch wenn das Wasser hier wesentlich unruhiger fließt als vor dem Wehr.

Artikel vom 26.07.2005