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Pioniere der deutschsprachigen Rockmusik

Band Hammerfest wurde vor 30 Jahren in Vlotho gegründet - »Wilde Zeit« avancierte zur Hymne

Von Hartmut Horstmann
Kreis Herford (HK). Wenn Vlothos Rockfreunde an wilde Zeiten denken, dann vor allem an ein bestimmtes Lied. Geschrieben hat es die Band Hammerfest, und der Refrain ist zu einer kleinen Hymne geworden: »Wilde Zeit/Keine Stunde tut mir leid.« In diesem Jahr feiern die deutschsprachigen »Hart-Rocker« mit einem Konzert den 30. Geburtstag. Voraussichtlicher Termin ist der 22. Oktober. Der Kartenvorverkauf hat aber noch nicht begonnen.

Längst sind Konzerte der Vlothoer Lokalmatadoren zu einem seltenen Ereignis geworden. Die alten Fans fiebern den Auftritten entgegen, schwelgen in der Nostalgie der guten, alten, wilden Zeit.
Da sah es Ende der 70er Jahre ganz anders aus. Zwischen 1978 und 1983 hätten Hammerfest die populärste Phase gehabt, erläutert Gründungsmitglied Wolfgang Kuhlmann, der heute im Kreishaus in Herford arbeitet. Damals kam die Band auf 100 Auftritte pro Jahr, der Name Vlotho bekam einen guten Klang auf den Rockbühnen dieser Republik.
Angefangen hatte alles im Jahr 1975 beim ersten Umsonst und Draußen-Festival auf dem Winterberg. »Wir hatten unseren ersten Auftritt. Und der ist gleich gut angekommen«, erinnert sich Wolfgang Kuhlmann. Die positive Publikumsresonanz war trotz des Heimspiels keineswegs selbstverständlich; denn auf den damaligen Festivals dominierte der Jazz-Rock, der mit der deutschsprachigen Dampfmusik der Weserstädter nichts gemein hat.
Nach der Bühnen-Premiere beschlossen die befreundeten Musiker Klaus Otto, Achim Patz, Wolfgang Kuhlmann und Bebi Bebenrot weiterzumachen. Nach etwa einem dreiviertel Jahr stieg Bassist Bebenrot aus - es kam Hans Schemel, mit dem Wolfgang Kuhlmann schon in den 60-ern Musik gemacht hat.
Rockmusik im Jahr 1975: Als sich Hammerfest mit deutschen Texten auf die Bühne wagten, betraten sie Neuland. Zwar habe es Musiker und Bands wie Udo Lindenberg oder Ton Steine Scherben gegeben, so Kuhlmann, doch sei deutschsprachige Rockmusik ungewöhnlich gewesen.
Entsprechend schnell entwickelten die auch Politrock-Interessierten die Wahl der Sprache zu einem Markenzeichen. Kuhlmann: »Die deutschen Texte haben wir konsequent durchgezogen.«
Die Fans waren dank der zahlreichen Auftritte regelrecht heiß auf die erste LP, die unter dem Titel »Hier bei uns« 1979 erschien. In zwei Wochen spielten die Hammerfesten die Platte im Studio ein, 15 000 Mal wurde sie verkauft. Ein respektables Ergebnis - und da die LP im Eigenvertrieb erschien, blieb der Profit bei den Musikern.
Selbstbestimmung: Diese Vokabel prägte die Zeit. »Wir machen unser eigenes Ding«, scheint auch das Cover der zweiten LP sagen zu wollen. Der Manager alter Prägung (unter ehrlich schwitzenden Rockmusikern an der Krawatte zu erkennen) muss abdanken - die Pistole als Brachialsymbol.
15 000 Platten machten euphorisch. Doch obwohl die Live-Konzerte - unter anderem mit Ton Steine Scherben oder Geier Sturzflug - nach wie vor erfolgreich verliefen, stagnierte der Plattenverkauf. Von »Schleudertest« (1980) gingen knapp 5 000 Scheiben über den Ladentisch, bei »Dezente Elemente« (1983) waren es gerade einmal 1 000. Viel zu wenig, denn die Band hatte für die Aufnahmen zur dritten LP fünf Monate im Studio verbracht. Schon vom Cover her deutet sich der Richtungswechsel vom einfachen Politrock in spielerischere Gefilde an. »Auch gab es gute Kritiken«, sagt Wolfgang Kuhlmann. Nur: Die Fans haben die Musik nicht mehr akzeptiert.
Mittlerweile war es zu Umbesetzungen gekommen, doch konnten auch diese nicht verhindern, dass 1984 das Aus kam. Ein Aus, das vier Jahre währte, denn die Fans, längst erwachsen geworden, konnten und wollten nicht ohne »Hammerfest«. 1989 gab es neue Konzerte. Auch CDs kamen auf den Markt: »Schöne Grüße aus Hammerfest« (1991), »Echtzeit« (1998).
Dass die Hammerfest-Nostalgie anhält, verwundert Kuhlmann nicht. Die Musik habe eine große emotionale Bedeutung, die politischen Texte hätten die Menschen beeinflusst: »Wir haben die Gefühle und Einstellungen widergespiegelt. Das war authentisch.«
Ironie der Geschichte: Als der Stern von Hammerfest in den 80-ern zu sinken begann, setzte sich ihr Markenzeichen in Form von deutschsprachigen Texten durch. Ob in puncto Karriere mehr drin gewesen wäre? Diese Frage stellt sich nicht. Hammerfest sind ihren Weg gegangen, haben von Vlotho aus ihren Teil zur Deutschrock-Geschichte beigesteuert.

Artikel vom 26.07.2005