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Anschlag auf Rietberger Reisebus?

Auf der A 7 lösten sich auf dem Weg nach Grömitz plötzlich die Radmuttern

Von Meike Oblau
Rietberg (WB). Das Rietberger Busunternehmen Mertens und eine Jugendgruppe des Kreissportbundes (KSB) sind am vergangenen Donnerstag nur knapp einem Unglück entronnen. An dem Reisebus, der mit 50 Jugendlichen an Bord auf dem Weg nach Lenste bei Grömitz an der Ostsee war, löste sich auf der A 7 plötzlich ein Reifen.

Da der Fahrer zuvor von einem Autofahrer gewarnt worden war und seine Fahrt bereits verlangsamt hatte, konnte er den Bus ohne größere Probleme zum Stillstand bringen. Nun ermittelt die Polizei. Der Verdacht: unbekannte Täter hatten offenbar alle zehn Radmuttern des Reifens gelöst.
»Sowas ist mir noch nie passiert und wird mir hoffentlich auch nie wieder passieren.« Heiner Mertens, Inhaber des Rietberger Busunternehmens, ist fassungslos. »Man darf gar nicht darüber nachdenken, was alles hätte passieren können.« Gelöst hatte sich einer der beiden linken hinteren Zwillingsreifen. Nur einem Zufall war es wohl zu verdanken, dass der Reifen nicht auf die linke Spur der A 7 flog. »Der Reifen ist nach hinten gerollt, hat dreimal gegen den Bus und den Anhänger geschlagen, schlingerte dann um den Bus herum und kam Gott sei Dank auf dem Standstreifen zum Liegen«, schildert Heiner Mertens, was sein Fahrer ihm berichtete.
Kurz nach einem Zwischenstopp auf der Raststätte Allertal hatte der Fahrer bemerkt, dass ein anderer Autofahrer ihm signalisierte, er solle anhalten. Noch während der Bus verlangsamte, löste sich das Rad. »Wir haben mit Sachverständigen gesprochen. Die Muttern können sich nicht von allein gelöst haben«, ist Mertens überzeugt. Zuletzt waren die Muttern überprüft worden, als von Winter- auf Sommerreifen gewechselt wurde. »Wenn sich anschließend die Muttern gelöst hätten, wäre das auf den ersten 1000 Kilometern nach dem Reifenwechsel passiert. Unser Bus hatte aber schon wieder mehr als 25 000 Kilometer zurückgelegt, seitdem die Sommerreifen aufgezogen worden waren«, gibt Mertens wider, was der Experte ausführte. Nur wenige Minuten nach dem Vorfall wurde Mertens von seinem Fahrer informiert. »Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um für die Gruppe einen anderen Bus zu organisieren. Zuerst habe ich alle Busunternehmen in Soltau angerufen, dort war aber nichts zu machen, es ist schließlich Ferienzeit. Also habe ich mich selbst mit einem Ersatzfahrzeug auf den Weg gemacht«, erinnert sich Mertens.
Kurz bevor er in der Lüneburger Heide ankam, erhielt er jedoch die Nachricht, dass das Fahrzeug inzwischen wieder fahrbereit sei. Nachdem der Fahrer die Gruppe des Kreissportbundes in Lenste bei Grömitz abgesetzt hatte und eine zweite KSB-Gruppe, die ihre Ferienfreizeit gerade beendet hatte, wieder mit nach Gütersloh genommen hatte, stellte Heiner Mertens am Wochenende Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Gütersloher Polizei.
»Es muss entweder auf unserem Betriebsgelände passiert sein oder bei einer Fahrt, als der Bus einmal unbeaufsichtigt war«, vermutet der Rietberger. Wie ein Fremder auf das Firmengelände am Merschhemkeweg hätte gelangen können, weiß er allerdings nicht. »Das Gelände ist zwar frei zugänglich, aber normalerweise schlägt unser Wachhund an, wenn ein Fremder das Gelände betritt. Und wir wohnen direkt neben der Bushalle«, so Mertens. Vielleicht, mutmaßt er, habe jemand Insiderwissen genutzt. Einen konkreten Verdacht hege er aber nicht. Die Gütersloher Polizei stehe ganz am Anfang ihrer Ermittlungen. »Für uns ist es ein wirklich ungutes Gefühl, dass dieser Vorfall ungeklärt ist und möglicherweise auch ungeklärt bleibt«, sagt Heiner Mertens.
Susann Reinhold, die KSB-Freizeitleiterin in Grömitz, ist dagegen heilfroh, dass nicht mehr passierte: »Der Gedanke an einen Busunfall ist der Horror jeden Betreuers«, teilt sie auf Anfrage mit. Den neun bis 13 Jahre alten Kindern im zweiten Bus sei schon ziemlich mulmig gewesen, als sie den Reifen ihres »Vordermannes« auf ihren eigenen Bus zurollen sahen. »Die Kinder im betroffenen Bus hatten zunächst gar nichts gemerkt.«
Als der Bus später auf einer Raststätte bei Soltau hielt, trug die hiesige Verkehrswacht dazu bei, auf die Kinder aufzupassen. »Sie sperrte einen Bereich auf der Raststätte für uns ab. Zwei Busladungen voller Kinder auf einer Autobahnraststätte bergen auch ein ziemliches Risiko.« Busfahrer und Kinder wunderten sich, dass es keinen Bruchschaden an der hinteren, rechten Achse gab: »Das spricht für die Version, dass vielleicht jemand die Muttern gelöst hat.« Falls das zutreffen sollte, hätte der Täter den Tod von mehr als 20 Kindern billigend in Kauf genommen: »Ich fasse es nicht. Wer ist zu solch einer Tat fähig?«, fragt Susann Reinhold.

Artikel vom 26.07.2005