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Per Motorboot zur Menschenrettung

Freiwillige Feuerwehr probt das Manöver »Mann über Bord« auf der Weser in Höxter

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Wenn das Signal »Mann über Bord« ertönt, dann muss alles ganz schnell gehen. Doch auch wenn der Faktor Zeit eine gewichtige Rolle spielt, heißt es in dieser Situation für die Bootsbesatzung: »Ruhe bewahren!« In der fünften Folge der WESTFALEN-BLATT-Serie »Blaulicht« geht es um die Menschenrettung durch die Freiwillige Feuerwehr Höxter, die jetzt mit ihrem neuen Boot den Ernstfall auf der Weser probte.

Dass die Brandbekämpfer bei einem Einsatz aufs Wasser müssen, kommt selten vor. Die letzten Einsätze wurden nach eigenen Angaben in den Jahren 2002 und 2003 verzeichnet, als Wasserleichen aus der Weser geborgen werden mussten. Ein Suizidversuch, bei dem die Wehrleute eine ganze Nacht auf der Weser verbrachten, bis die Person zur Aufgabe überredet werden konnte, liegt sechs Jahre zurück. Für die Wehrleute ist dies Grund genug, solche Einsätze zu proben, um im Ernstfall sicher helfen zu können.
Auf dem Dienstplan ist an diesem Tag eine Gruppenübung vorgesehen. Blitzblank steht das signal-rote Sportboot auf einem Anhänger vor der Höxteraner Feuerwache. Bei genauerer Betrachtung fallen einige Gebrauchsspuren auf. »Das Boot ist nicht neu. Die Stadt Höxter hatte es bislang der DLRG zur Verfügung gestellt. Jetzt haben wir es bekommen«, berichtet Brandmeister Christian Grimm. Als die Stadt im vergangenen Jahr das Boot in die Verantwortung der Feuerwehr übergab, erklärte sich Grimm, der im Besitz eines Bootsscheins ist, bereit, für die Ausbildung der Wehrleute in Theorie und Praxis zu sorgen.
Das fängt bereits damit an, dass das Boot zum Einsatzort gebracht und dort zu Wasser gelassen werden muss. Beim ersten Mal ist das schon eine Herausforderung. Zentimeter für Zentimeter rangiert David Beverungen den Anhänger rückwärts auf das Weserufer zu, bis die Räder im Wasser stehen. Oberfeuerwehrmann Thomas Schelhorn, im zivilen Leben als Fahrlehrer tätig, weist ihn ein.
Per Seilwinde wird das Boot sanft zu Wasser gelassen. Dabei stellen die Wehrleute schnell fest: Mit dem viel leichteren Schlauchboot war das viel einfacher. Als die Besatzung mit Oberfeuerwehrmann Thomas Schelhorn, Brandinspektor Holger Dittrich und David Beverungen nach einigen Minuten an Bord ist, will der Motor zunächst nicht anspringen. Beim dritten Versuch klappt es und das 40-PS-Aggregat blubbert leise vor sich hin. David Beverungen, der ebenfalls einen Bootsschein hat, gibt Vollgas und das Boot schießt stromaufwärts nach vorn über die Weser.
Während den Feuerwehrkameraden der Wind um die Ohren pfeift erläutert David Beverungen, worauf sie beim Fahren achten müssen. »Das Wasser ist recht flach. Ihr müsst mindestens zehn Meter Abstand zum Ufer halten. Wenn zum Beispiel Kanuten entgegen kommen, muss man wegen der Wellen rechtzeitig abbremsen -ĂŠaber nicht zu abrupt das Gas wegnehmen, sonst schwappt die Welle zu uns ins Boot!« Schon nach kurzer Zeit wird gewechselt: Fahrlehrer Thomas Schelhorn übernimmt das Steuer des Wasserfahrzeugs und ist beeindruckt. »Die Lenkung geht recht schwer. Das fühlt sich wie ein Auto ohne Servo-Unterstützung an.«
Nachdem Schelhorn etwas Gefühl für Gas und Lenkung bekommen hat, beginnt die Übung »Mann über Bord«. Ein Rettungsring, der das Opfer darstellen soll, wird in die Weser geworfen. Schelhorn dreht, fährt ein Stück zurück und fährt dann auf das im Wasser schwimmende »Opfer« zu. »Du musst in den Leerlauf«, ruft ihm noch David Beverungen zu. Doch zu spät: Das »Opfer« kollidiert mit dem Boot! »Das kann im Realfall böse ausgehen«, führt David Beverungen vor Augen. Ganz klar: Der Kapitän war zu schnell. Beim zweiten Versuch klappt es besser und der Rettungsring kann mit einer Hand von Brandinspektor Holger Dittrich an Bord gehievt werden. »So leicht geht das natürlich im Ernstfall nicht. Stell Dir vor, das ist ein 90-Kilo-Mann«, sagt David Beverungen.
Anschließend wird im Hafen der Bundeswehr das Anlegen an einem Bootssteg geübt. Doch auch hier zeigt sich: In der Ruhe liegt die Kraft. Wer zu viel Gas gibt, kollidiert mit der Spundwand.
Nachdem alle Kameraden einmal am Steuer des Bootes gesessen haben und die Übung abgeschlossen ist, wird das Wasserfahrzeug an Land geholt. Es geht zurück zur Feuerwache, wo das Boot geputzt und gewartet wird. Schließlich soll es für den nächsten Einsatz wieder top-fit sein.

Artikel vom 26.07.2005