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Im biblischen Zoo fährt
auch ein Bummelzug

Die Vision des Propheten Jesaja in die Tat umsetzen

Jerusalem (dpa). Träge döst der Löwe mit der zottigen blonden Mähne in der Jerusalemer Mittagshitze im Schatten eines Baumes. Nur dann und wann hebt er das mächtige Haupt und reißt sein imposantes Maul zu einem langen Gähnen auf, um gleich wieder weiter zu schlafen. Der asiatische Löwe »Leyder« ist eines der vielen Tiere, die Besucher im biblischen Zoo in Jerusalem bewundern können.

Wie eine kleine Oase liegt die grüne Parkanlage eingebettet in die kargen Hügel Jerusalems. Hier tummeln sich in einer möglichst ursprünglich gestalteten Umgebung Tiere, die schon in der Bibel erwähnt werden - Bären, Wölfe, Löwen, Antilopen, Damhirsche, Schlangen und Geier. Neben dem Gehege jeder Tierart steht auf Hebräisch, Arabisch und Englisch der biblische Vers, in dem sie erwähnt wird. »Wir wollen auch unseren Beitrag zur Ko-Existenz der Menschen in dieser Region leisten«, erklärt Zoosprecherin Sigalit Dvir die Vielsprachigkeit.
Gegründet wurde der biblische Zoo 1928 von Professor Aharon Schulov, einem der Pioniere auf dem Gebiet der Zoologie an der Hebräischen Universität in Jerusalem. In den Anfangsjahren war es nur ein kleiner Zoo für Kinder im Stadtzentrum Jerusalems. »Damals hatte Schulov nur einige biblische Tiere, zum Beispiel Wölfe, Hyänen und Schakale«, erzählt Dvir. Nach mehreren Umzügen innerhalb der Stadt eröffnete der Park dann 1993 seine Tore an der gegenwärtigen Stelle, im Südwesten der Stadt.
Ziel des idealistischen Zoogründers war es, den Menschen in Israel, viele davon entwurzelte Flüchtlinge aus aller Welt, die Natur und die biblische Überlieferung näher zu bringen. »Er sah dies als seine Lebensaufgabe«, sagt Dvir. »Er wollte auch eine Annäherung zwischen Akademie und Volk erreichen.« Über den zionistischen Visionär gibt es einige skurrile Anekdoten zu erzählen. So habe er etwa unbedingt die Vision des biblischen Propheten Jesaja »dann wohnt der Wolf beim Lamm« umsetzen wollen, so die Sprecherin. »Es ist alles gut gegangen, er musste nur ab und zu das Lamm ersetzen«, witzelt sie.
Aber in dem Zoo, durch den man mit einem kleinen Bummelzug fahren kann, gibt es auch viele Tiere, die nicht in der Bibel erwähnt sind. »Ein Zoo ohne Giraffe und Elefant, der hat einfach keine Chance«, erklärt Dvir mit einem Augenzwinkern. Außerdem gibt es auch die »nicht-biblischen« Flamingos, Zebras, Tapire, Nashörner und Kängurus. Für Kinder kostet der Eintritt 32 Schekel (knapp sechs Euro), für Erwachsene 40 Schekel (gut sieben Euro).
Gleich nach dem Eingang des Zoos gleiten majestätisch weiße und schwarze Schwäne auf einem großen Teich. Der Schwan sowie der Adler und der Geier werden im 2. Buch Mose gemeinsam mit einer Reihe anderer Vögel genannt, die als unrein gelten und nicht vom Volke Israel gegessen werden sollen.
Die Besucherroute führt auch durch das »Land der Bibeltiere«, wo man von einer Holzbrücke aus mesopotamische Damhirsche, Berggazellen, Steinböcke und weiße Oryx-Antilopen beobachten kann. Am Ende der Route stößt man auf einen riesigen Nachbau der biblischen Arche-Noah. Im Bauch des hölzernen Schiffs befindet sich ein Besucherzentrum mit Auditorium und einer Galerie.
An einem anderen Ort können Kinder mit großen bunten Statuen von Fantasietieren der weltbekannten Künstlerin Niki de Saint Phalle (»Nanas«) spielen. Die Anspielungen auf biblische Überlieferungen sind zahlreich: Am Rande des Besucherpfads liegt »Moses Felsen«, aus dem eine Quelle fließt. »Wir haben einen Schlauch in dem Stein versteckt«, erläutert Dvir die prosaische Nachbildung des biblischen Wunders vom Wasser, das dem Stein entspringt, als Moses mit einem Stock darauf schlägt.
Nicht immer sind sich die Bibelforscher sicher, welche Tiere mit den Tiernamen im Alten Testament gemeint sind. »Wir glauben, dass das biblische Tier »Behemot« das heutige Nilpferd ist«, sagt Dvir. Der Name könnte jedoch auch Seeungeheuer oder Drache bedeuten. Früher lebte es in den Sümpfen und wurde wegen seiner Elfenbein-Zähne gejagt.
Im Buch Hiob wird das Tier als Beispiel großer Kraft erwähnt: »Siehe da den Behemot, den ich geschaffen habe wie auch dich! Er frisst Gras wie ein Rind. Siehe, welch eine Kraft ist in seinen Lenden und welch eine Stärke in den Muskeln seines Bauchs!« Im Bibelzoo haben die wasserliebenden Hippos ihr eigenes Gehege.
Der biblische Zoo bemüht sich auch darum, im Alten Testament erwähnte Tiere, die in Israel inzwischen nicht mehr vorkommen, wieder in der freien Wildbahn anzusiedeln. Nun sind sechs Damhirsche, hebräisch »Jachmor« genannt, in die Natur entlassen worden. Die Tiere, die in der Bibel als eine von sieben Arten genannt werden, die vom Volk Israel gegessen werden dürfen, waren seit Ende des Ersten Weltkriegs in der Region ausgerottet. Sie waren als eine der Delikatessen bekannt, die an der Tafel des Königs Salomon serviert wurden. In der Bibel dient der Hirsch unter anderem als Symbol der Sehnsucht nach Gott.
www.jerusalemzoo.org.il

Artikel vom 29.07.2005