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Rauschende Feste und Turnstunden

Gaststätte Denker abgerissen - Erinnerung an Schilsker Dorf- und Vereinsgeschichte

Von Elke Wemhöner
Schildesche (WB). Mit dem Abbruch des Privathauses Niederfeldstraße 11 sind auch die letzten Spuren einer Gaststätte mit langer Tradition getilgt. Allein 90 Jahre wurde das Haus von der Familie Denker und ihren Nachfahren geführt. Als Vereinshaus war es Schauplatz von rauschen Festen, Turnstunden und Kino-Vorstellungen.

Am 25. Juli 2004 zapften Karl-Heinz und Edith Denker zum letzten Male Bier im Gastraum an der Straße. Nachdem ihre drei Söhne beruflich andere Wege gegangen waren, entschlossen sich die beiden zur Aufgabe der Gaststätte. Mit der dritten Generation endet die »Ära Denker«.
Einen Schankbetrieb gab es bereits vor 1896; der Besitzer hieß Strothenke. Von diesem erwarb Friedrich Lechterbeck Haus und Grundstück. Das Geschäft muss damals floriert haben, denn Lechterbeck löste die Ställe im Anbau auf, vergrößerte den bereits darüber liegenden Saal und ließ eine Bühne bauen. Doch da sich kein Nachfolger fand - die Lechterbeck'schen Söhne hatten kein Interesse an der Gastronomie - wechselte der Besitzer. Durch verwandtschaftliche Kontakte hatte Heinrich Denker von der zum Verkauf stehende Immobilie erfahren. Am 4. Juli 1914 wurde die Sache perfekt: Frieda und Heinrich Denker aus Netze bei Hamburg waren die neuen Wirte.
Der Kriegerverein, die Turner, die Sänger und später auch die Schützen wählten den Saal Denker für ihre Vereins- und Stiftungsfeste. Mancher Tropfen Schweiß ist dort geflossen. Denn öffentliche Sporthallen gab es nicht; die Turner errichten Reckstangen und Barren im Saal; Verankerungen waren dafür in den Holzfußboden eingelassen.
Heinrich Denker junior, einer der drei Söhne des Wirte-Ehepaars, lernte eigens das Klavierspielen, gründete mit Freunden eine Kapelle und spielte an den Wochenenden zum Tanz auf. Auch zur Untermalung der Stummfilme, die im Saal Denker aufgeführt wurden, griff er in die Tasten.
Im Saal Denker ging es regelmäßig rund - und zur 1000-Jahr-Feier Schildesches wurde der große Raum durch den Anbau von fünf Zelten vergrößert. Zum Ausklang gab es an einem Montag den »Holskenball«, zu dem die Gäste natürlich in Holzschuhen kamen.
Die Kriegszeiten hinterließen ihr Spuren auch in der Familie Denker. Alle drei Söhne fielen im Krieg. Frieda Denker und Schwiegertochter Wilgard, die Ehefrau von Heinrich junior, übernahmen das »Regiment«. An rauschende Fest war jedoch nicht zu denken. Und als das ausgebombte Universum-Kino anfragte, ob der Saal nicht als Spielstätte genutzt werden könnte, wurde man sich schnell einig. Bis zum November 1966 flimmerten Heimat- und Spielfilme über die Leinwand. Und Schilsker erinnern sich, dass die Schlange vor der Kinokasse häufig bis an die Straße reichte.
Bereits im Dezember 1966 öffnete dann der Jibi-Markt im ehemaligen Saal. Es war der vierte des Unternehmens in Bielefeld. 22 Jahre später zog der Supermarkt um in den Neubau an der Westerfeldstraße und an der Niederfeldstraße versuchten zunächst ein Schnäppchenmarkt, dann ein Händler für gebrauchte Möbel ihr Glück. Vorn, im Schankraum standen Karl-Heinz Denker (Sohn von Heinrich und Wilgard) und seine Frau Edith seit 1984 hinter der Theke. Sie betrieben die Gaststätte nebenberuflich und hatten bis zuletzt viele treue Kunden. Der Abschied von Schildesche - Denkers sind nach Brake gezogen - haben sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge vollzogen. Und dort, wo Denker war, werden in nächster Zeit Wohnhäuser entstehen.

Artikel vom 19.07.2005