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Nächstenliebe ist so
groß wie ein Plakat

Agentur Jung von Matt schenkt Johanneswerk Kampagne

Von Dietmar Kemper und
Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). »Für uns ist das wie ein Sechser im Lotto«, freut sich die Sprecherin des Evangelischen Johanneswerks in Bielefeld, Ulrike Posch. Die renommierte Werbeagentur Jung von Matt in Hamburg hat für die diakonische Einrichtung mit 6300 Mitarbeitern gratis eine Kampagne entworfen.

Bis Ende des Jahres machen mehr als 3000 Plakate in Nordrhein-Westfalen neugierig auf soziale Arbeit. »Wir zahlen nur die Druckkosten«, sagte Posch gestern dieser Zeitung. »8,97 m2 Nächstenliebe« ist auf ihnen zu lesen, aber auch Beistand und Zuversicht werden damit in Verbindung gebracht. »Die Zahl gibt die Größe des Plakats wieder«, erklärte Posch und fasste den Leitgedanken der Kampagne so zusammen: »Wir verbinden eine messbare Einheit mit Emotionen.« Geschickt provoziert das Evangelische Johanneswerk damit beim Betrachter die Frage, ob sich soziale Tugenden beziffern lassen.
Dabei lässt es der soziale Träger mit mehr als 70 Einrichtungen in NRW nicht bei Plakaten bewenden: »120 PS Nächstenliebe« steht auf der Haut von Kleintransportern, »0,48 m2 Hilfe« auf Leinenbeuteln und »5433 cm3 Lebenslust« auf Luftballons. 2000 der schwebenden Botschafter verteilte das Johanneswerk auf der Diakoniemeile beim Evangelischen Kirchentag in Hannover. Positive Kernaussagen sind besser als auf die Tränendrüse zu drücken, meint Ulrike Posch. Vielfach setzten Sozialkampagnen auf Bilder von Armut und Elend und liefen damit Gefahr, dass die Menschen abstumpfen. Deshalb habe Jung von Matt ganz im Sinne des Johanneswerks bei der Kampagne »Das Maß der Dinge« einen anderen, neuen Weg eingeschlagen.
Bei der Werbung für Fürsorge und Hilfe soll das Johanneswerk »positiv, aktiv und klar« rüberkommen, betont Markus Geisenhöner von der Hamburger Agentur, zu deren Kunden BMW, Ebay und TUI gehören. »Es ging uns darum, den Kern und gleichzeitig die Vielschichtigkeit unserer diakonischen Arbeit zu zeigen«, ergänzt der Vorstandsvorsitzende des Johanneswerks, Pastor Udo Krolzik. Das Tätigkeitsfeld umfasst sowohl Alten-, Behinderten- und pädagogische Arbeit als auch ambulante soziale Hilfen und medizinische Versorgung.
»Wenn wir alte Menschen gezeigt hätten, wäre unsere Jugendarbeit unberücksichtigt geblieben«, verwies Posch auf einen weiteren Vorteil des Konzepts, positiv besetzte Begriffe mit einer Zahl zu kombinieren. Werbeagenturen entwickeln Gratis-Kampagnen, um an Wettbewerben teilnehmen und Preise gewinnen zu können. Das Johanneswerk wusste von diesen so genannten Probono-Kampagnen, fragte in der Hansestadt nach und hatte Glück.
Posch kündigte gestern die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn an, die dann die Bielefelder Einrichtung und die Botschaft, dass Fürsorge das »Maß aller Dinge« ist, noch weiter bekannt machen würde. Auch außerhalb von NRW wäre damit für Stirnrunzeln bei den Reisenden gesorgt, die mit der Zahl, die sie im Zug lesen, erst mal nichts anfangen können. Ulrike Posch: »Bereits jetzt werden wir von vielen Menschen angerufen, die uns bitten, die Plakate zu erklären. Damit haben wir unser Ziel, diakonische und soziale Arbeit ins Gespräch zu bringen, erreicht.«

Artikel vom 15.07.2005