07.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

15 Minuten - und alles blitzt

60 Frauen reinigen auf dem Flughafen Paderborn die Flugzeugkabinen

Von Christian Althoff
und Wolfram Brucks (Fotos)
Paderborn (WB). 12 000 Touristen werden allein in den ersten vier Ferientagen vom Flughafen Paderborn aus in die Sonne starten. Damit der Urlaub bereits im Flugzeug beginnt, sorgen 60 Mitarbeiterinnen des Airports für blitzblanke Kabinen.
Schichtleiterin Verena Schulz: Ohne Sicherheitsausweis geht nichts.

Der Passagier von Platz 19 c, der um 9.30 Uhr mit der Air Berlin-Maschine aus London gekommen war, war bis zur Landung auf Seite 69 gekommen. Dann hatte er seinen Kriminalroman samt Lesezeichen zur Seite gelegt und im Flugzeug vergessen. »Wir geben das Buch später am Fund-Schalter ab«, ruft Verena Schulz, während sie sich mit einem Müllsack in der Hand von Reihe zu Reihe durch die verlassene Kabine kämpft. Sie ist Schichtführerin und mit sieben weiteren Frauen dabei, die Boeing 737-700 in Windeseile zu reinigen. »Wir haben nämlich nur 15 Minuten«, erklärt die Frau, die seit acht Jahren auf dem Flughafen Paderborn-Lippstadt beschäftigt ist.
Im Aufenthaltsraum der Putzfrauen findet die Schichtleiterin später Zeit für eine Zigarette und einen Kaffee. »Die Maschine aus London war okay«, sagt sie. Von den 148 Plätzen seien nur 55 besetzt gewesen, die meisten von Geschäftsreisenden. »Die hinterlassen Berge von Zeitungen, sind aber sonst ganz ordentlich«, erzählt die Frau aus Salzkotten und zeigt durchs Fenster aufs Vorfeld: »Warten Sie mal ab, wie es in der Maschine aus Palma aussehen wird, die gleich reinkommt!« Das ist um 10.20 Uhr soweit. »Los geht's!«, ruft Verena Schulz, als die rot-weiße Boeing 737-800 aus Mallorca auf ihrer Halteposition stoppt. Während 186 Spanienurlauber das Flugzeug verlassen, eilen die acht Frauen auf das Heck der Maschine zu. Sie tragen Sicherheitswesten und haben neben Staubsaugern, Eimern und Lappen auch einen Wagen mit Toilettenpapier, Einmalhandtüchern, Bordmagazinen und Notfallanleitungen dabei. »Die nehmen Passagieren nämlich gerne als Souvenir mit«, sagt Ines Gillejohann. Sie ist Industriekauffrau, findet aber, wie viele ihrer Kolleginnen, keine Stelle in ihrem erlernten Beruf.
An der Heckluke der Maschine kontrolliert ein Crewmitglied die Sicherheitsausweise der Frauen, und dann geht's los. Etwa 30 Grad herrschen in der Kabine, und der Stromgenerator sorgt für ein ständiges Brummen. Annegret Münstermann ist heute mit den drei Toiletten dran - der ungeliebteste Job, der deshalb auch reihum erledigt wird. »Ersparen Sie uns, zu beschreiben, in welchem Zustand wir die WCs manchmal vorfinden. . ..«, meint Susanne Schulz vielsagend und zwängt sich in die letzte Sitzreihe. Sie lässt sich auf den mittleren Platz fallen, öffnet blitzschnell die drei Klapptischchen und beseitigt mit einem feuchten Tuch Spuren von Getränken und Speisen. Dann wedelt sie Krümel von den Polstern, legt die Sitzgurte ordentlich über Kreuz und turnt in die nächste Sitzreihe. »Anfangs hat man blaue Flecken, weil man sich dauernd an den Armlehnen stößt. Mit der Zeit bewegt man sich aber geschickter«, sagt Verena Schulz, die gerade zerfledderte Zeitungen, Flaschen, aber auch gebrauchte Windeln aus den Sitztaschen fischt und vom Boden aufhebt. Ihre Kollegin Annegret Münstermann folgt mit einem Stapel Bordmagazine und Sicherheitsanweisungen, um die Sitztaschen bei Bedarf aufzufüllen. Es ist ein eingespieltes Team, das hier arbeitet. Trotz Enge und Hektik rempelt niemand den anderen an, tritt keine Frau der anderen auf den Fuß, scheint niemand gereizt. »Die machen einen tollen Job«, lobt Flugkapitän Martin Saure, der gleich wieder mit 160 Urlaubern nach Palma starten wird. Sein Cockpit ist für die Putzfrauen tabu und wird von Technikern gereinigt. »Aber dass die Kabine sauber ist, darauf kann ich mich verlassen«, sagt Saure.
Um 13 Uhr, wenn die Frühschicht endet, werden Verena Schulz und ihre Kolleginnen fünf Maschinen gereinigt haben. Und sie werden zum abertausendsten Mal über Urlauber geflucht haben, die ihre Kaugummis wieder unter die Armlehnen geklebt haben - auch wenn sie sich dort etwas leichter entfernen lassen als aus Aschenbechern, die es nur noch in älteren Maschinen gibt. »Aber ekelig ist beides«, sagt die Schichtführerin und zieht die Nase kraus.

Artikel vom 07.07.2005