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»Pfft« - und schon ein Star
Das Haarspray wird 50 Jahre alt und ist in dieser Zeit erstaunlich gereift
Mit ein paar »Pfft« kann jede Frau zum Star werden - zumindest auf dem Kopf. Ob Turmfrisur, Dauerwellen oder Igel-Look, das Haarspray hält die Form, und das bei jedem Wetter rund um den Globus. Das verspricht zumindest die Werbung. In diesen Tagen begeht das Zaubermittel seinen 50. Geburtstag.
Als Eltern lassen sich in Deutschland sowohl der Darmstädter Wella-Konzern als auch die Düsseldorfer Konkurrenz Schwarzkopf feiern, denen ihr gereiftes Produkt-Kind bis heute gute Umsätze beschert.
Trotz seiner unstrittig stilbildenden Wirkung muss sich Haarspray immer wieder um sein Image sorgen. »Beton-Frisuren sind nicht nach meinem Geschmack«, sagt etwa Promi-Friseur Udo Walz. »Ich bin mehr für wallende Haare.« Das Fixierungsmittel setzt er nur für Glamour-Frisuren ein. Seine Hamburger Kollegin Marlies Möller hält den Beton-Vorwurf dagegen für veraltet: »Haarspray ist in meiner Pflegeserie ein wichtiger Artikel, den ich nicht missen möchte - auch nicht als Privatperson!«
Die Sprays von einst und heute verbinden nur noch wenige Gemeinsamkeiten. »Geblieben ist die Technik, dass eine Flüssigkeit zerstäubt wird«, erklärt Wella-Sprecherin Carola Wacker-Meister. Die Ehre dafür gebührt dem amerikanischen Erfinder Robert Abplanalp, der 1953 das Ein-Zoll-Ventil erfunden und damit den Siegeszug der Spraydose begründet hat. Die umstrittenen Treibgase FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe), die in den 80er Jahren auch beim Haarspray für Umsatzeinbrüche sorgten, sind inzwischen ersetzt worden.
Getüftelt haben die Wissenschaftler auch bei den Inhaltsstoffen. Anfangs setzten sie auf das Sekret der Schellacklaus, aus dem auch Schallplatten hergestellt wurden. »Der Lack ist sehr beständig und bildet eine schöne glatte Oberfläche, lässt sich aber nur schwer auswaschen«, erinnert sich Wella-Forscher Hartmut Schiemann. »Dennoch gibt es wahre Fangemeinden, die nach wie vor Schellack-Produkte wegen ihrer hohen Haltbarkeit schätzen.«
Heute versuchen die Firmen mit neuen chemischen Verbindungen den widersprüchlichen Anforderungen des Haarsprays besser gerecht zu werden: Es soll die Frisur auch bei Regen halten, doch das Beton-Gefühl vermeiden und sich am Abend locker ausbürsten oder abwaschen lassen. »Diese Eigenschaften waren bei den ersten Rezepturen noch unvereinbar«, sagt Schiemann.
Der Verzicht auf Parfüm-Öle mit Moschusbestandteilen - die inzwischen verboten sind - hat das Geruchsproblem entschärft. Sprühte sich eine Frau in den 60er Jahren die Haare ein, wurde das vernebelte Bad familienintern kurzzeitig zum Notstandsgebiet erklärt. Von Feinstäuben war damals noch keine Rede. Heute wird dagegen genau untersucht, ob Partikel in die Lunge gelangen können. Verbessert hat sich auch die Handhabung. Sorgte früher der lange Druck auf dem schmalen Sprühkopf für lästige Abdrücke auf den Fingerkuppen, bieten inzwischen breite Spraycaps bequemen Halt.
Auf diese Weise hat sich Haarspray zum Styling-Klassiker entwickelt, dem auch wachsende Gel- und Wachs-Konkurrenz nichts anhaben kann. Seine beste Zeit hatte es sicher, als Filmdiven wie Marylin Monroe und Präsidenten-Gattinnen vom Schlage einer Jackie Kennedy die Akzente setzten. Mit dem Retro-Trend kann sich das Spray jetzt erneut auf rege Nachfrage einstellen. Zudem sollen inzwischen immer mehr Männer zu dem Festigungsmittel greifen.
Nicht zuletzt spielt der Polymer-Nebel auch eine wichtige Rolle in der Kunst: Mit ein paar »Pfft« lassen sich günstig Radierungen und Aquarelle fixieren - und das für weit länger als einen Tag. Ingo Senft-Werner

Artikel vom 23.07.2005