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13-Jähriger erobert das Meer

Roland Gäbler holt Marcus Raupach in sein WM-Boot

Leipzig (dpa). Es klingt wie ein Traum. Ein 13-Jähriger wird mitten in der Nacht aus dem Bett gerissen und gefragt: Möchtest du mit einem Weltmeister bei einer Regatta der Weltspitze im Tornado segeln? Die Antwort kam spontan: Ja, na klar!

Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht: Wer ist Roland Gäbler? Wie lang ist ein Tornado? »Ich habe mir Freitagmorgen alle Informationen aus dem Internet geholt, wenige Stunden später saß ich mit einem der erfolgreichsten Segler der Welt in einem Boot«, sagte Marcus Raupach aus Markranstädt bei Leipzig.
»Man muss der Jugend eine Chance geben. Gerade wir Sportstars müssen da eine Vorbildfunktion haben«, sagte der dreifache Weltmeister Gäbler. Sein Vorschoter Gunnar Struckmann hatte sich unmittelbar vor der Abfahrt an einem Garagentor die Hüfte verletzt. »Es war Glück im Unglück. Er fällt zwei Wochen aus. Doch alle meine ehemaligen Kollegen hatten keine Zeit, da hörte ich von Marcus Raupach, einem Nachwuchssegler, der bisher nur Optimist und 420er gesegelt war«, berichtete der in Dänemark lebende Bremer Gäbler und entschied: »Wir probieren es. Das Ergebnis ist egal, Hauptsache wir werden nicht Letzter.«
»Ich dachte erst, alle wollen mich veräppeln. Doch dann ging alles ganz fix. Und mein neuer Chef war total easy und hat überhaupt keinen Stress gemacht«, sagte Markus Raupach. Er hat ein verschmitztes Gesicht mit Pausbacken, und wenn er lächelt blitzen seine Zahnspangen hervor. »Ich kann das alles noch nicht glauben. Meine Oma ruft ständig an und sagt: Junge, du bist in der Zeitung, im Fernsehen. Im Rampenlicht zu stehen, ist schon extrem ungewohnt. Doch daran kann man sich nach zwei, drei Tagen gewöhnen«, sagte das Talent von SV Leipzig Südwest, das sonst fast nur auf dem Kulkwitzer See am Rande der Messestadt segelt.
Nun steht er im Mittelpunkt, im Fokus gar der Weltöffentlichkeit. Denn die dreiteilige Segelserie gehört zu den innovativsten und beliebtesten Regatten der absoluten Weltspitze. Zu dieser gehört nun auch Marcus Raupach. Nur 60 Stunden nach seinem Weckruf, stand er mit Gäbler am Cospudener See auf dem Podium. Nach zehn von zwölf geplanten Wettfahrten hatte er sich mit seinem Steuermann den dritten Gesamtrang erkämpft. »Das ist eine absolute Sensation«, meinte Gäbler, der noch ein Andenken parat hatte. Er schenkte seinem Partner eine komplette Segelausrüstung - absolutes Weltklassematerial. »Dann weiß er auch noch in den kommenden Tagen, dass dies alles kein Traum war. Wir werden uns in Kiel wiedersehen«, so Gäbler.

Artikel vom 05.07.2005