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Feuer frei auf die Kartoffel

Beschuss von Komet Tempel 1 soll Neues über das Sonnensystem bringen

Von Hans Dahne
Washington (dpa). Zum ersten Mal in der Raumfahrtgeschichte wird ein absichtlicher Zusammenstoß im Weltall inszeniert. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 37 000 Kilometern pro Stunde rasen der Komet Tempel 1 und ein kühlschrankgroßes kupfernes Geschoss der US-Weltraumbehörde NASA auf einander zu.
So sieht es der Computer: 133 Millionen Kilometer von der Erde entfernt schießt die Raumsonde Deep Impact auf den kartoffelförmigen Tempel 1 und sendet dann Bilder vom Kern zur Erde. Foto: Reuters

Der Aufprall heute Morgen wird gewaltig. Das nur ein Meter große und 372 Kilo schwere Projektil, das die US-Raumsonde »Deep Impact« abschießt, reißt voraussichtlich einen Krater bis zur Größe eines Fußballstadions und der Tiefe eines 14-geschossigen Hauses in den kartoffelförmigen Kometen. Mit 14 mal fünf Kilometern ist das Crash-Ziel halb so groß wie Bonn.
Aus einer sicheren Entfernung von 8600 Kilometern sendet die Raumsonde Bilder vom Frontalzusammenstoß zur Erde. Erst 14 Minuten später fliegt sie, wenn alles klappt, bis auf 500 Kilometer heran. Ein großer Moment für die Astronomie: Wissenschaftler hoffen, den ersten Blick auf einen freigelegten Kometenkern zu bekommen. Denn nach dem Aufprall sollen Eis, Staub und Gestein von der Außenhaut von Tempel 1 in die Luft schleudern.
Weil diese aufgewirbelten Teile die Sonnenstrahlen reflektieren, strahlt der Komet schlagartig heller. Die NASA zündet damit pünktlich zum Unabhängigkeitstag der USA in 133 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde um 7.52 Uhr (MEZ) ein kleines himmlisches Feuerwerk.
Weil der bevorstehende Crash im Weltall viele besorgte Gemüter auf den Plan gerufen hat, gab die NASA schon im Vorfeld Entwarnung. Danach wird der Komet weder auseinander fallen noch von der Bahn abkommen und in »vorhersehbarer Zukunft« für die Erde eine Gefahr darstellen. Die Auswirkung des Frontalzusammenstoßes sei so, als ob eine Mücke auf eine Boeing vom Typ 767 pralle.
Seit dem Start am 12. Januar hat »Deep Impact« 431 Millionen Kilometer bis zum Zielkometen zurückgelegt. Die NASA benannte ihre 333 Millionen US-Dollar teure Expedition nach dem Endzeitfilm »Deep Impact - Der Einschlag« des Regisseurs Steven Spielberg. In dem Film rast ein riesiger Komet auf die Erde zu.
Die Inszenierung des großen Finales beim Zusammenprall ist nach NASA-Angaben so schwierig, als ob man eine Kugel in der Luft mit einer anderen treffen wolle und den Zusammenstoß von einer dritten Kugel aus fotografiere. Das Projektil schaltet zwei Stunden vor dem Aufprall vom Auto-Piloten auf seine eigene Navigation um und muss dann selbst Lösungen finden, um Tempel 1 nicht zu verfehlen. Die Kamera des Projektils soll bis 20 Sekunden vor Einschlag senden.
Forschungsleiter Michael A'Hearn von der Universität von Maryland in College Park erwartet von dem Aufprall die bislang spektakulärsten Daten in der Geschichte der Kometenforschung. Der Einschlag soll auch Erkenntnisse zur Entstehung des Sonnensystems bringen.
Der Komet »Comet 9P/Tempel 1« wurde am 3. April 1867 von dem sächsischen Astronomen Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821 bis 1889) entdeckt. Der kartoffelförmige Komet umrundet die Sonne auf einer elliptischen Bahn zwischen Mars und Jupiter alle 5,5 Jahre.
http://deepimpact.jpl.nasa.gov

Artikel vom 04.07.2005