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Wallaus Scherbenhaufen

Mit einem Schuldenberg in die Regionalliga

Wallau/Minden (dpa). Die mit 1,4 Millionen Euro verschuldete SG Wallau/Massenheim ist insolvent und steht vor einem Scherbenhaufen.

Die Handball-Bundesliga-Lizenz ist weg, Trainer Martin Schwalb nach Wetzlar gewechselt, das Team in alle Winde zerstreut. Auch der vermeintliche Sanierer Ralf Jahncke warf das Handtuch. Keiner weiß genau, wie es nach dem letztinstanzlich abgeschmetterten Lizenzantrag beim ehemaligen Meister (die Erfolgstrainer hießen Velimir Kljaic und Heiner Brand), IHF-Cup- und DHB-Pokalsieger weiter geht. Mit dem Regionalliga-Team soll vielleicht ein Neustart gewagt werden.
Die Gläubiger stehen Schlange. Das Finanzamt Hofheim wartet auf die Restschuld von knapp 150 000 Euro, die erst das vorläufige Insolvenzverfahren und damit den Untergang des Clubs mit ausgelöst hatte. Der Image-Verlust des Clubs ist unermesslich. Der Vertrauensverlust wird auf lange Zeit Sponsoren davon abhalten, sich finanziell zu engagieren.
Schwalb, der noch Mitgesellschafter der Sportbetriebs-GmbH der SG ist, hatte bereits einen Vertrag mit Rücktritt-Option beim Klassenkonkurrenten Wetzlar unterschrieben. Der 42-Jährige wurde in »Bild« so zitiert: »Allen, die sich jetzt über Wallaus Aus freuen, wünsche ich die Pest an den Hals.«
Die Wut der Fans ergoss sich auf der Homepage des Dorfvereins in verbalen Angriffen gegen die Funktionsträger, die das Chaos mit verschuldet haben. Wegen eines verschwiegenen Eigenantrags auf Insolvenz musste die SG vor dem letztinstanzlichen ständigen Schiedsgericht in Minden ihren Einspruch gegen die Lizenzverweigerung durch die Handball-Bundesliga (HBL) zurück ziehen.
»Ihr Lügner! Es war beschämend. Was ist aus den Einnahmen aus der Spendenaktion und den T-Shirts geworden? Jeder Fan der etwas gegeben hat, tat dies in gutem Glauben. Ich fühle mich veräppelt«, hieß es. Zigtausende Euros hatten sie zusammengetragen, um zu retten, was nicht mehr zu retten war. Erst auf ausdrückliche Nachfrage hatte Wallau zugegeben, dass bereits im April ein Vertreter des wirtschaftlichen Trägers Eigeninsolvenz beantragt hatte. Damit war die Lizenz weg, der Abstieg besiegelt.
»Es ist unglaublich, wie viel geballte Inkompetenz den Verein innerhalb eines Jahres an die Wand gefahren hat«, sagten die beiden ehemaligen Mäzene, Sponsoren Harald Scholl und Ehrenpräsident Bodo Ströhmann. »Erst wenn die SG in der Führung von allem gereinigt und sauber ist, könnte ich mir ein Engagement wieder vorstellen«, sagte Scholl.
Ströhmann, der den Verein mehr als 30 Jahre bestimmt hat, betonte: »Ich stehe nicht mehr für eine Position zur Verfügung, aber helfen will ich immer. Dafür hängt mein Herzblut zu sehr an meinem Lebenswerk.« Man müsse aus den nach Turnvater-Jahn-Rezepten geführte Trägervereinen das neue Team herauslösen, weil die alten Funktionsträger »Proficlubs nicht führen« könnten.
Die sportliche Chance zur Rückkehr in die Eliteliga aber hat die Regionalliga-Mannschaft der SG gewahrt, die unter dem Management des Unternehmers Bernd Wagenführ in der abgelaufenen Saison Platz drei belegte. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann hatte nach dem vernichtenden Urteil bestätigt, dass es diese Zukunft geben kann.

Artikel vom 02.07.2005