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Holger Pfahls kassierte vier Millionen Mark Schmiergelder

Erster Prozessstag: Verteidiger will Kohl, Genscher und Kinkel vorladen

Augsburg (dpa). Ex-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls hat die Annahme von Schmiergeld in Höhe von etwa vier Millionen Mark im Zusammenhang mit Waffengeschäften gestanden.
Karl-Heinz Schreiber verteilte Millionen.

Vor dem Landgericht Augsburg räumte der 62-Jährige gestern zum Prozessauftakt ein, als damaliges Regierungsmitglied umgerechnet zwei Millionen Euro von dem Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber angenommen zu haben. »Ich will um Gottes willen keine Schuld von mir weisen«, sagte Pfahls. »Ich bin verantwortlich.« Damit bestätigte er im Wesentlichen die Vorwürfe der Anklage. Für ein »glaubhaftes Geständnis« hatte ihm das Gericht eine Höchststrafe von zwei Jahren und drei Monaten in Aussicht gestellt.
Der inzwischen nach Kanada geflüchtete Schreiber habe ihm 1990 für ein Panzergeschäft mit den USA umgerechnet gut eine Million Euro und ein Jahr später für einen Panzerdeal mit Saudi-Arabien nochmals 500 000 Euro auf einem Schweizer Konto deponiert, sagte Pfahls. Weitere 400 000 Euro habe er später für ein U-Bootgeschäft mit Israel erhalten. Schreiber habe das Geld für ihn über ein Schweizer Konto verwaltet. »Tun wir's wieder aufs Konto. Wenn du was brauchst, rufst mich an«, habe Schreiber gesagt. Eine Teilsumme von insgesamt 400 000 Euro habe er später von dem Waffenlobbyisten bar ausgezahlt bekommen.
Pfahls ist wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung in seiner Amtszeit angeklagt. Er war unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) von 1987 bis 1992 Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Seine Aussagen zum Panzergeschäft mit den USA sorgten für Überraschung, denn in der Anklage geht es nur um das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien. Zwei Millionen Euro flossen laut Anklage für die Mithilfe von Pfahls bei der Bereitstellung von 36 Fuchs-Panzern aus Bundeswehr-Beständen für Saudi-Arabien. »Dabei widersetzte sich Pfahls bewusst der Führung des Heeres und stellte die Spitze der Bundeswehr vor vollendete Tatsachen«, sagte Oberstaatsanwalt Christoph Wiesner.
Pfahls erklärte dagegen, er habe die Entscheidung für den Verkauf an Saudi-Arabien nicht beeinflusst und nur einen Beschluss des Bundessicherheitsrates vollzogen. »Das war die Entscheidung der großen Politik«, sagte er.
Pfahls schilderte zunächst das Panzergeschäft mit den USA mit einem Auftragsvolumen von 820 Millionen Euro. Er habe sich dafür Anfang 1990 auf Bitten von Schreiber eingesetzt und den Deal zum Erfolg gebracht. Schreiber sei nach einem feucht-fröhlichen Kegelabend sein Duz-Freund gewesen und habe ihn gebeten, für den Thyssen-Konzern »lenkend einzugreifen«. Dafür habe ihm Schreiber zwei Millionen Mark in Aussicht gestellt. Nach dem Zustandekommen des Geschäftes habe ihn Schreiber als »doppelten Millionär« beglückwünscht.
Pfahls betonte, er habe das Geld zunächst nicht annehmen wollen und sei von Schreiber »breitgequatscht« worden. »Hab' dich nicht so, nimm's, uns tut's nicht weh«, habe ihn Schreiber gedrängt. Er wolle sein Fehlverhalten aber nicht auf die Überredenskünste von Schreiber abschieben. »Ich bin schuld.« Er habe sich nie besondere Gedanken über steuerrechtliche Fragen zu den angenommenen Millionen gemacht. »Das war ein Fehler.«
Die Verteidigung von Pfahls beantragte zu dem Geschäft mit Saudi-Arabien eine Zeugenvernehmung von Alt-Kanzler Helmut Kohl, der früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel (beide FDP) sowie anderer Mitglieder der Kohl-Regierung. Damit wolle man den Vorwurf der Bestechlichkeit entkräften. Denn Kohl habe den Amerikanern zum ersten Golfkrieg in den Jahren 1990/91 nichtöffentlich »jede erdenkliche Hilfe« zugesagt. Dazu habe auch das umstrittene Panzergeschäft mit Saudi-Arabien gehört.

Artikel vom 29.06.2005