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Kaiser-Tage

Er spielt schon lange nicht mehr mit. Aber er ist immer am Ball. Überall. Im ZDF, in »Bild«, in der Werbung. Und in den Stadien sowieso. Da schwebt er mit einem gelben Hubschrauber ein.
Auf der Ehrentribüne sitzt er dann nicht, nein, da thront er auf dem gepolsterten Stuhl. Wie es sich für einen wie ihn gehört. Der Confed-Cup, das sind eben die Kaiser-Tage.
Vorspiele für die Endspiele. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hat er ins Land geholt. Er allein.
So wird es mal in den Geschichtsbüchern stehen - auch wenn es nicht ganz stimmt. Da haben schon noch ein paar andere mit dran gedreht. Aber die Leute lieben Legenden. Und als lebende Legende wird er jetzt schon gefeiert: Franz Beckenbauer, der »Kaiser«.
Der Weltmeister-Macher.
Aber noch läuft ja der Confederations Cup. Früher nur eine viertklassige Veranstaltung, heute erstklassig präsentiert. Danke, Kaiser.
2005 - der WM-Test für 2006.
Und Beckenbauer, der Organisations-Chef, er wird zum Abschluss der Veranstaltung feststellen: Alles läuft schon sehr gut - wenn nur nicht ständig so ein paar verrückte »Fans« auf den Rasen rennen würden.
Die wird er auch noch stoppen lassen. Mit Sicherheit. Einer wie er, der kann halt und darf (fast) alles. Geschätzt, geachtet, bewundert und beliebt. Die »Süddeutsche Zeitung« ernannte Beckenbauer in diesen Tagen sogar zum »Gefühlten Präsidenten«. Das fand er garantiert nicht schlecht, der Kaiser. Bundespräsident? Warum nicht? Wenn sie ihn wirklich darum bitten würden.
Aber mal im Ernst: Dieser Mann erreicht tatsächlich immer wieder neue Gipfel der Popularität. Was dem gras-grünen Europa-Parlamentarier Daniel Cohn-Bendit gar nicht gefällt. Geschenkt. Was will dieser Neidhammel? Mit seiner »Allianz gegen Franz« steht er doch im Abseits. Meilenweit.
Wo Beckenbauer ist, da spielt die Musik. Da rollt die Kugel. Da surren die Kameras. Da stehen die Mikrofone. Und wenn er mal wieder einen seiner unüberlegten Sätze gesagt hat, der der Real-Satire ziemlich nahe kommt? Macht nichts.
Ein Denkmal kann schließlich nicht immer denken. Außerdem: Es sind doch Kaiser-Tage. Und im Weltmeisterschafts-Sommer 2006, da geht es fünf lange Wochen erst richtig los. Dann beginnt die Kaiser-Zeit.
Klaus Lükewille

Artikel vom 29.06.2005