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Noch zählt das
Erlebnis mehr
als das Ergebnis

Die Fans haben ihr Team wieder lieb

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Leipzig (WB). Wenn die Deutschen kommen, ist auf dem Platz wieder was los. 4:3, 3:0, 2:2, 2:3. Das war beim Confed-Cup nicht jedes Mal Ergebnis-Fußball, aber immer Erlebnis-Fußball. Und auch wenn das kleine Finale gegen Mexiko heute um 17.45 Uhr im Leipziger Zentralstadion (live in der ARD) etwas aus der Reihe tanzen sollte, so bleibt nach diesem Turnier doch festzustellen: Das Publikum hat die Nationalauswahl wieder lieb.

»Sie ist wieder das Aushängeschild unseres Landes«, sagt Jürgen Klinsmann. Dabei kann sich der Bundestrainer auf seine Erfahrungen aus der kleinen Deutschland-Tournee berufen, die die Mannschaft in den vergangenen beiden Wochen abwickelte. Überall spendeten die Zuschauer Applaus, hoch zufrieden gingen sie nach Haus. Bei den Nürnberger »Ballfestspielen« gegen Argentinien und Brasilien kickte sich das DFB-Team endgültig in die Herzen der Fans zurück, in denen es zu Zeiten anhaltenden Misserfolgs nicht immer Platz gefunden hatte.
Das ist alles anders geworden. Auf der Tribüne wird nicht mehr Trübsal geblasen, sondern ordentlich Trara gemacht. Zum Schluss erhoben sich die Leute sogar und entließen die Profis mit Ovationen. »Das war schon ein Vorgeschmack auf die WM«, staunte der Berliner Arne Friedrich, »ich glaube, da wird es dann noch besser.«
Das mag sein - wenn sich auch die Leistungen der Mannschaft anpassen. Sie hat den Geschmack des Publikums zumindest beim Confed-Cup perfekt getroffen. Das kann sich offenbar eher mit einer Niederlage mit fliegenden Fahnen wie gegen Weltmeister Brasilien arrangieren als mit einem schlappen 1:0 nach einem lahmen Spiel.
Die schöne Partie zählt mehr als der Sieg. Nur ist fraglich, ob es bei dieser Einstellung noch bleibt, wenn es demnächst darauf ankommt. Bei der WM 2002 wurde zuerst auch über das qualvolle Geschiebe gemosert - aber später waren die Deutschen froh, sich zusammen mit ihrer Mannschaft durchgezittert zu haben. Es ist auch nicht nur einmal vorgekommen, dass sich die sportliche Leitung den Gegebenheiten anglich. So bestückte Teamchef Franz Beckenbauer seine WM-Formation 1986 mit einem Bataillon von Vorstoppern, um spielerische Mangelerscheinungen zu überbrücken. Des Kaisers Kommentar zur Kompensation: »Anders hätten wir damals nie eine Chance gehabt.«
Klinsmann wäre es nun ein Greuel, zu personellen Maßnahmen greifen zu müssen, die ein vorzeitiges WM-Aus 2006 im wahrsten Sinne des Wortes verhindern. Er möchte, dass seine Mannschaft selbst bestimmt, wo es lang geht. »Wir wollen mit hohem Tempo nach vorn spielen, immer die Initiative übernehmen, uns nichts aufdrücken lassen«, lautet des Bundestrainers Vorstellung, die sich natürlich nur mit einem entsprechenden Resultat auch zur Wunschvorstellung ergänzt.
Noch ist das nicht so wichtig, wie die Reaktionen zeigen. Doch wäre es die Weltmeisterschaft, käme das 2:3 gegen Brasilien im Confed-Halbfinale dem Aus im Achtelfinale gleich. Deutschland hätte nur die Vorrunde überstanden. Es wäre von einem Reinfall die Rede, alte Wunden brächen wieder auf. Und wer weiß, ob der DFB nicht schon wieder einen Bundestrainer einstellen müsste. Ohnehin ist noch unklar, was Klinsmann nach 2006 vor hat.
Bis dahin wird der Schwabe versuchen, sein gar nicht so bescheidenes Ziel zu erreichen. Schön spielen, ist gut. Schön spielen und siegen, noch besser. Am besten ist, schön spielen, siegen, Weltmeister werden. Große Hoffnungen, hohe Ansprüche.

Artikel vom 29.06.2005