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Harte Kritik an SPD-Manifest

Union sieht in Steuerplänen »Verabschiedung von Gerhard Schröder«

Berlin (dpa/Reuters). Die Union sieht in dem Entwurf für das SPD-Wahlmanifest eine Abkehr von der bisherigen rot-grünen Regierungspolitik. Die Vorstellungen der Sozialdemokraten stellten das »innere Verabschieden von Gerhard Schröder« dar, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, in Berlin.
Oskar Lafontaine sei in der SPD lange nicht so erfolgreich gewesen wie jetzt im linken Wahlbündnis, fügte er hinzu.
Röttgen betonte, die Union lehne die SPD-Pläne für einen Steuerzuschlag für Spitzenverdiener als Wahlkampfmanöver ab. Die SPD habe während der Regierungszeit der rot-grünen Koalition sieben Jahre Zeit gehabt, eine solche Reichensteuer einzuführen, kritisierte Röttgen weiter. »Sie hat es nicht getan, sie hat das Gegenteil getan.«
So sei der Spitzensteuersatz seit Amtsantritt der Bundesregierung 1998 um elf Prozentpunkte gesenkt worden. »Es war eine falsche Schwerpunktsetzung auf die Großen, die die SPD vorgenommen hat«, sagte der CDU-Politiker. Das eklatanteste Beispiel dafür sei die Steuerfreiheit für Veräußerungen von Kapitalbeteiligungen.
Der Kurswechsel zu einem Steueraufschlag auf Spitzeneinkommen stehe für eine falsche Symbol-Politik der SPD, die sich vor der für Herbst erwarteten Bundestagswahl von ihrem Bundeskanzler Gerhard Schröder und ihrer Regierungszeit verabschiede.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sprach von einer »Rolle rückwärts«. Außenhandelspräsident Anton Börner warnte, die Leistungsträger als Melkkuh der Nation zu missbrauchen. Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte: »Alles, was in Richtung Steuererhöhung geht, ist falsch.«
Die SPD-Vorschläge für das Wahlmanifest, das am 4. Juli beschlossen werden soll, bedrohen den Wirtschaftsverbänden zufolge weitere Arbeitsplätze. Der CSU-Arbeitsmarktexperte Johannes Singhammer bezeichnete zudem die Absicht der SPD, das Arbeitslosengeld II im Osten auf das Westniveau anzuheben, angesichts der Finanzlücke in Milliardenhöhe als leeres Versprechen.
Die SPD hatte sich am Sonntag für das Wahlmanifest auf einen Steuerzuschlag von drei Prozent für Einkommen bei Ledigen von 250 000 Euro an verständigt, bei Verheirateten von 500 000 Euro an.
Die Mehreinnahmen sollen in Bildung und Forschung fließen. Außerdem will die SPD einen Mindestlohn gesetzlich in allen Branchen festlegen, für die eine Ausweitung des so genannten Entsendegesetzes in der Bauwirtschaft nicht möglich sei.
SPD-Vizeparteichef Kurt Beck wies die Kritik zurück. Die Menschen hätten ein gutes Gespür dafür, ob an einer notwendigen Anstrengung alle beteiligt würden oder nur die Empfänger kleiner und mittlerer Einkommen. »Wenn man eine Million oder mehr verdient und dann vielleicht 1200 oder 1500 Euro im Jahr mehr an Steuern als bisher bezahlt, dann ist das nicht so, dass da irgendjemand abgeschreckt wird oder unzulässig belastet.«
SPD-Finanzexperte Joachim Poß warf der Union vor, sie wolle eine Senkung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42 auf 39 Prozent mit massiven Einschnitten bei steuerlichen Privilegien für Arbeitnehmer gegenfinanzieren, wie etwa der Abschaffung der Entfernungspauschale und dem Abbau der Steuerfreiheit der Schichtzuschläge.
Das Arbeitslosengeld II will die SPD Clement zufolge in Ostdeutschland von den bestehenden 331 Euro auf das höhere Westniveau von 345 Euro anheben. Er unterstütze diesen Beschluss des Präsidiums für das Wahlmanifest nachdrücklich, sagte Clement. »Es ist nicht richtig, allein zwischen Ost und West zu unterscheiden.« Die Kosten für sein Ressort durch die geplante Angleichung der Arbeitslosengeld-II-Bezüge bezifferte er auf 200 Millionen Euro.
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Artikel vom 28.06.2005