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Teppich mit Brandlöchern und Rotweinflecken

Rentner soll Hausrat- und Haftpflichtversicherungen über Jahre betrogen haben

Bielefeld (uko). Ein Bielefelder Rentner soll Hausrat- und Haftpflichtversicherungen über Jahre hinweg in Serie betrogen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 64-jährigen Günter S. (Name geändert) 20 Fälle des Betruges, zum Teil mit Urkundenfälschung und das Vortäuschen von Straftaten vor.

Namhafte deutsche Assekuranzen sind in der Anklage gegen den angeblich geistig nur minderbemittelten Mann aufgeführt. Danach verfiel Günter S. erstmals im August 1996 auf den Trick, sich Geld durch Versicherungsbetrügereien zu ergaunern. Eine Versicherung fiel auf seine Behauptung herein, er habe mit seinem Fahrrad eine Frau auf deren Velo überholt und habe dabei das Rad der Dame gestreift. Das Opfer sei ins Straucheln gekommen und habe sich verletzt. Die Versicherung zahlte 350 Mark Schmerzensgeld.
Mit einer anderen absonderlichen Masche ging es im September 1996 weiter. Angeblich wollte Günter S. über eine auf der Treppe abgestellte Brauseflasche gefallen sein. Eine Versicherung zahlte 1 750 Mark aus. Eine andere Assekuranz glaubte zudem brav, Günter S. habe auf den Staubsauger eines Nachbarn getreten und den Sauger beschädigt. Überwiesen wurden hierfür 119 Mark.
Im Mai 1997 verfiel S. auf den Zigarettentrick: Zunächst wollte er mit einer glühenden Kippe ein Loch in die Jacke einer Bekannten gebrannt haben (eine Versicherung bezahlte anstandslos 70 Mark), für ein Brandloch in der Polstergarnitur einer Nachbarin gab es immerhin schon 400 Mark.
Einen wahren Flickenteppich müssen die Brandlöcher in eiem alten orientalischen Teppich hinterlassen haben. Den will der Arbeitslose von einem befreundeten Italiener, der sich mittlerweile wieder in sein Heimatland abgesetzt hat, für 46 000 Mark gekauft haben. Indes blieben die Versicherungen »auf dem Teppich«, sie zahlten nicht eine einzige Mark. Ebenso dubios und erfolglos blieb der Versuch, den Teppich förmlich »in einem Wasserschaden« zu versenken. Mehr Glück hatte S., als sich die gleiche Auslegeware später mit Rotwein vollsog. Dafür bezahlte eine Versicherung 1 700 Mark.
Einmal so richtig in Fahrt, gab S. dann noch mehrere Einbruchdiebstähle in seiner Wohnung in Jöllenbeck an. Diebesgut seien Schmuck, eine Rolex-Uhr sowie ein Originalgemälde mit dem romantischen Titel »Niederländische Schule« gewesen. Seine Prozesse gegen die betreffende Versicherung jedoch verliefen im Sande. Landgericht Bielefeld und Oberlandesgericht Hamm wiesen die Klagen ab.
Zum Prozessauftakt fanden sich gestern vor dem Amtsgericht neben zahlreichen Zeugen zudem interessierte Jöllenbecker ein, die weder Günter S. noch seinem vermeintlichen Komplizen Helmut J. (53, Name geändert) ihre angeblichen körperlichen und geistigen Behinderungen abnehmen mochten. Beide Männer hätten es faustdick hinter den Ohren, vermuteten die Beobachter.
Zum kommenden Termin soll allerdings der Geisteszustand des Zeugen J. geklärt werden. Der Mann behauptet, seit einem inszenierten Suizidversuch nicht nur halbseitig gelähmt zu sein, sondern obendrein keinerlei Erinnerung mehr an sein früheres Leben zu haben.

Artikel vom 21.06.2005