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200 neue Windräder geplant

Investoren wollen in Ostwestfalen altes Recht noch ausnutzen

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Schätzungsweise 200 Windräder sollen in Ostwestfalen noch baureif werden, bevor Einschränkungen der neuen Landesregierung greifen. Aktuell drehen sich 712 Windräder in der Region.

Der spätestens 2007 wirksame Mindestabstand von 1500 Metern zu Wohngebäuden und die erweiterte Möglichkeit für Stadträte, Maximal-Höhen festzusetzen, stehen bislang nur im Koalitionsvertrag. Aber schon steigt der Druck auf Genehmigungsbehörden, Bürgermeister und Grundstückseigentümer. Bis zu 12 000 Euro Jahrespacht werden Landwirten im Raum Borchen bei Paderborn pro Windkraftanlage geboten, heißt es. Auch sieht sich die Gemeinde Klagedrohungen von Windkraftgesellschaften ausgesetzt, die noch die alte Rechtslage nutzen wollen.
»Die Vorstellungen von CDU und FDP sind eine mittlere Katastrophe für das Land«, zeigt sich Peter Ahmels vom Bundesverband WindEnergie alarmiert. »Eine solche Wachstumsbremse für die Windbranche kann NRW tausende von Arbeitsplätzen kosten.« Deutschlandweit zählt die Branche 62 000 Beschäftigte.
Pachtland-Prospektoren haben nach Beobachtungen der Windkraftgegner vom »Verband Gesundheits- und Landschaftsschutz« (VGL) NRW inzwischen den Rücken gekehrt. Vorsitzender Rolf Ihsen: »In Hessen und Baden-Württemberg können sie bei weniger Widerstand aus der Bevölkerung ihre Anlagen schneller hochziehen.« Der VGL wird am Donnerstag in Bielefeld (17 Uhr, Stadthalle) die neue Situation in NRW öffentlich erörtern. Titel des Symposiums: »Ökologische und ökonomische Aspekte der unsteten Wind-Energie«.
Durchgeboxt werden auch Projekte in noch ungenutzten Vorrangzonen in Lippe, Minden-Lübbecke und im Bereich Sennerand/Münstersche Bucht. Dabei haben Wind-Fonds und Hersteller entweder schon lange ausgewiesene, aber weniger windgünstige Äcker wie bei Lage ins Visier genommen oder Vorranggebiete, die gegen die Kommunen erstritten wurden.
In Delbrück-Ostenland haben Josef und Agnes Büser die letzte Instanz, den Petitionsausschuss des Landtages, angerufen. Weil sie in einer Streusiedlung leben, darf 300 Meter entfernt nahe dem Naturdenkmal Seerosenteich (Bekassinen/Falken) gebaut werden.
Genehmigungen, die noch nach altem Recht erteilt werden, genießen Vertrauensschutz. Bei der Bezirksregierung in Detmold gibt es keine Übersicht über geplante Anlagen gestaffelt nach Abständen. Es gibt keine gesetzlich festgelegten Schutzzonen, sondern lediglich Empfehlungen aus einem Runderlass der Länder-Innenminister. Der sieht für »reine Wohngebiete« 750 Meter Abstand vor, bei »allgemeinen Wohngebieten« 500 Meter und bei Einzelhäusern 300 Meter.
Schneller als die neue 1500-Meter-Regelung dürfte eine im Koalitionsvertrag angekündigte Bundesratsinitiative greifen. Danach soll die »Überförderung der Windenergie« über das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG), vor allem aber die Bevorzugung im Baugesetzbuch beendet werden. Noch erlaubt Paragraf 35, dass Rotoranlagen an nahezu jedem beliebigen Ort im geschützten Außenbereich errichtet werden können, solange es keine Vorrangstandorte gibt.

Artikel vom 21.06.2005