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Hildebrand hütet das Deutschland-Tor

Eine Belohnung für die Nummer drei - erst im »Königsspiel« kehrt Kahn zurück

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Nürnberg (WB). Ein Torhüter-Problem hatte Deutschlands Fußball noch nie. Und das ist das Schöne an der Diskussion und Rotation: Die DFB-Auswahl kann es sich durchaus leisten, die Nummer eins aus dem Aufgebot zu nehmen, die Nummer zwei auf die Bank zu setzen und die Nummer drei zwischen die Pfosten zu stellen.

Der Stuttgarter Timo Hildebrand gibt heute gegen Argentinien (20.45 Uhr/ARD und Premiere) auf das DFB-Gehäuse Acht. Bundestrainer Jürgen Klinsmann, sein Assistent Joachim Löw und der Schlussmann-Fachwart Andreas Köpke vereinbarten, dem 26-Jährigen eine Belohnung für untadeliges Verhalten und gute Trainingsleistungen zukommen zu lassen. Seit drei Wochen sind die Nationalspieler nun zusammen, »und Timo hat sich immer vorbildlich präsentiert«, lobte Löw.
Es ist auch ein Geduldsspiel, das den dritten Schlussmännern abverlangt wird. Hildebrand darf in der Bundesliga zwar jede Woche ran, aber er weiß, dass in seinem Berufsstand oft der lange Atem gefragt ist: »Als Torwart muss man häufig sehr lange warten, bis man die Chance erhält, konstant spielen zu können.« An der Hierarchie im DFB-Team noch vor der WM 2006 etwas ändern zu können, glaubt er dabei nicht wirklich. Schließlich bestreitet der Stuttgarter im Frankenstadion erst sein drittes Länderspiel, und dafür benötigte er fast 14 Monate.
Zu Hildebrands Premiere im April 2004 in Rumänien ließen ihn seine Mitspieler beim 1:5 einfach hängen, im Dezember bei der Asienreise wurde das Resultat gegen kaum wettbewerbsfähige Thailänder dann umgedreht. Ein halbes Jahr später bewacht er nun erneut das Deutschland-Tor und bedankt sich ganz artig dafür: »Ich freue mich, dass mir unsere Trainer ihr Vertrauen schenken.«
Weniger brav hatte er sich in der Winterpause gegenüber Kahn geäußert, was ihm prompt einen Rüffel des Teammanagers eintrug. Große Bedeutung misst Hildebrand dem damaligen Anruf von Oliver Bierhoff nicht mehr bei: »Das war keine große Sache. Er hat mir nur gesagt, dass ich mich in Zukunft etwas vorsichtiger verhalten soll.«
Es kann im Konkurrenzkampf eben vorkommen, dass eher Bälle gehalten werden als der Mund. Hildebrand hatte damit bisher am wenigsten zu tun. Oliver Kahn und Jens Lehmann sind die Platzhirsche, deren vorläufige Gleichberechtigung der Arsenal-Schlussmann aus gewissen Kreisen jedoch immer noch torpediert sieht. Bayern-Mobbing nennt er das, gezielte Scharfmache. Und da war der unfreundliche Empfang in der Allianz Arena, als die Allianz hörbar zusammen stand. Die Pfiffe bei der gar nicht so netten Partie zwischen dem FC Bayern und der Nationalelf in München taten Lehmann mehr weh als ein Gegentor. Mit dem Rempler gegen Schweinsteiger hatte er aber auch einen derben Reizpunkt gesetzt.
Deswegen wertet Lehmann nun auch an anderen Schauplätzen Schweigen schon als Sympathiebeweis: »Für mich ist es bereits ein Erfolg, wenn ich nicht ausgepfiffen werde«, sagte er vor der Partie gegen Tunesien in Köln, die seine 24. für Deutschland war. Jubiläumseinsatz 25 folgt am Wochenende. Denn die Trainer legten sich für den Rest des Turniers fest. Löw: »Jens Lehmann spielt im Halbfinale, Oliver Kahn im Endspiel oder im Spiel um Platz drei.« Also könnte der Münchner das »Königsspiel« bestreiten - wenn er bis dahin von Rückenbeschwerden genesen ist. Heute fehlt er im Kader.
Dass Kahn griesgrämig ausschaute in den Kölner Katakomben, kann mit dieser Verletzung zu tun haben. Zum Auftakt hatte ihn noch Australiens Dreierpack empfindlich am Torwart-Nerv getroffen. Sein liebster »Feind« Leh-mann legte stattdessen eine Nullrunde hin, was Schlussleute immer sauber finden. »Ich hoffe, dass wir auch gegen Argentinien zu Null spielen«, gestand auch Hildebrand vor seinem dritten Länderspiel.
Kahn macht am 29. Juli, dem finalen Confed-Cup-Tag in den Stadien von Frankfurt (Finale) und Leipzig (kleines Finale), schon die 80 voll. Wenn die »100« ein Ziel sein soll, muss er regelmäßig weiter spielen. Herausforderer Lehmann geht aber davon aus, dass es unter Klinsmann einen echten Kasten-Kampf geben wird, während Hildebrand hofft, dass es bis Länderspiel vier nicht Weihnachten wird. Doch gerade die dritte Torhüter-Position ist nicht garantiert. Weidenfeller, Rost, Butt, Enke, Wiese - es gibt genug Kandidaten, die denken: Da könnte noch ein WM-Platz frei sein.

Artikel vom 21.06.2005