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Mai 1945: ein Entwurf in Paderborn

Mehrere Gründer-Initiativen direkt nach Kriegsende in Ostwestfalen-Lippe

Bielefeld/Paderborn (WB/rb). Zeitgleich mit den ersten Anfängen der CDU in Berlin und Köln entstanden in Ostwestfalen-Lippe eine Reihe von Initiativen und Gesprächskreisen.
Besondere Bedeutung misst die Historikerin Petra Gödecke Diskussionen in Paderborn bei. Eine ging von dem Diözesanpräses der katholischen Arbeitervereine, Kaspar Schulte, aus. Mit dem Jesuitenpater Johannes Hirschmann und dem späteren Domkapitular Heinrich Hesse verbreitete Schulte die Idee einer Art »Labour Party«, die christlich, aber auf keinen Fall konfessionell gebunden sein sollte.
Die Paderborner Gruppe hob die »bewusst soziale, ja sozialistische Einstellung der neuen Partei« hervor. Bereits im Juni 1945 war Schulte auch Mitinitiator einer Tagung in Essen, auf der Gewerkschaftler, Zentrumsanhänger und christliche Arbeitervereine aus dem Ruhrgebiet die neue politische Freiheit, gefördert von den britischen Besatzern, nutzten.
Unabhängig davon standen Johannes Gronowski und Josef Kannengießer, die das Kriegsende im Raum Paderborn überstanden hatten. Beide, der frühere Oberpräsident von Westfalen (1922 - 1933) und der bis 1933 einflussreiche Zentrums-Funktionär, beschlossen mit Dompropst Paul Simon die Gründung einer überkonfessionellen Partei. Schon im Mai 1945 schrieben sie einen nie veröffentlichten »Programmentwurf für eine Christlich-Demokratische Volkspartei«.
Während der NS-Zeit hatte Simon zum konspirativen Bielefelder Gesprächskreis gehört, in dem sich um den Oberlandesgerichtsrat Alfred Bozi Laien und Theologen beider Konfessionen trafen. Kannengießer war bemüht, die protestantische Kreise in der Region Ostwestfalen-Lippe hinzuzuziehen. Er fand nur wenige. Über andere urteilte er im Rückblick: Die Geistlichen wollten »im Hintergrund bleiben«, »während die evangelischen Laien durchweg nazistisch belastet waren, ... wohl dabei sein wollten, aber nicht aktiv«.
Am 15. Juli 1945 trafen in Lippstadt diese und andere Initiativen zusammen, dabei ging es auch um die Frage der Wiederbelebung der Zentrumspartei. Als deren beharrende Kraft sollte sich in der Folgezeit Johannes Brockmann, gebürtig aus Paderborn mit Sitz im Münsterland, erweisen. Der »Fuchs von Rinkerode«, wie Konrad Adenauer ihn später bezeichnete, blieb letztlich in der Minderheit. Unter seinem Bundesvorsitz schied das Zentrum in den 50er Jahren für immer aus Landtagen und Bundestag aus.
Am 30. Juli 1945 trennten sich in Wattenscheid die Wege. Beim Folgetreffen 14 Tage später nannten 100 Delegierte aus ganz Westfalen die numehr geplante Neugründung »Christdemokratische Partei«, kurz CDP. Bei der Gründungsversammlung am 2. September in Bochum gelangten 14 Katholiken und acht Protestanten in der Vorstand. Letztere vertrat der Bielefelder Friedrich Holzapfel, Oberbürgermeister in Herford, als Vize-Vorsitzender. Weitere Vorstände aus der Region: Johannes Gronowski, Elisabeth Zillken, Heinrich Helfrich, Wehmeyer, Josef Kannengießer, Wilhelm Lindner (Minden-Ravensberg und Lippe) und Paula Noa. Nicht gewählt: Johannes Kunze, Verwaltungsdirektor in Bethel.

Artikel vom 16.06.2005