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Neustart mit Finanzsperre

Regierung Rüttgers vor leerer Kasse - Bürokraten werden Lehrer

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). Neustart mit Haushaltssperre: Die neue Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wird mit einem ihrer ersten Beschlüsse einen rigorosen Ausgabenstopp für 2005 verfügen.

Mindestens 2,2ÊMilliarden Euro müssten noch in diesem Haushaltsjahr eingespart werden. Das sagte gestern der künftige Finanzminister Helmut Linssen nach einer Sitzung der CDU-Fraktion in der Landeshauptstadt. Die Ebbe in der Kasse bedeute, dass alle Vereinbarungen im Koalitionsvertrag unter dem Haushaltsvorbehalt stehen. Zwei Ausnahmen: Kohle und 4000 neue Lehrer bis 2010.
Angesichts der Ebbe in der Kasse, die nach Unionsberechnungen größer ausfallen als von der rot-grünen Vorgänger-Regierung ausgewiesen, scheint ein Nachtragshaushalt unumgänglich. Linssen geht von 700ÊMillionen Euro weniger Einnahmen aus als bislang angenommen Insgesamt beträgt laut Union die Neuverschuldung 2005 bis zu 8ÊMilliarden - und nicht 5,2ÊMilliarden Euro.
Nach Angaben der Verhandlungsführer Jürgen Rüttgers (CDU) und Andreas Pinkwart (FDP) ist mit zwei wichtigen Teilvereinbarungen der Durchbruch erzielt, um den Koalitionsvertrag der Donnerstag unterzeichnen zu können. Bei der Kohle sei ein Einsparvolumen von 750 Millionen Euro angepeilt, sagte Pinkwart weiter. Den geplanten Börsengang der Ruhr-Kohle AG (RAG) wolle die neue Landesregierung unterstützen. Kostenrisiken für den Steuerzahler müssten dabei aber ausgeschlossen werden.
Die versprochenen 4000 zusätzlichen Lehrerstellen will man durch Abbau in der inneren Verwaltung erwirtschaften. 1,5 Prozent dieser Posten würden jährlich gestrichen und längst als überflüssig erkannte Stellen endlich geräumt, kündigte Rüttgers an.
Vor allem Grund- und Hauptschulen sollen zusätzlich aus einem Topf für Ganztagsangebote schöpfen können. Dafür werden jährlich 120 Millionen Euro bereitstehen. Damit könnten 2400 Lehrerstellen geschaffen oder andere Nachmittagsangebote finanziert werden, erläuterte Pinkwart.
Mit Blick auf den Landesanteil an der WestLB sagte er, dieser solle bestmöglich genutzt werden. Das schließe einen Verkauf auch unter Inanspruchnahme des Kapitalmarktes ein.
Der genaue Zeitpunkt für einen totalen Ausstieg aus den Steinkohle-Hilfen soll unmittelbar nach der Bundestagswahl mit dem Bund und den Vertretern der Kohle-Wirtschaft verhandelt werden. Derzeit fließen 500 Millionen Euro jährlich aus der Landeskasse in die Steinkohle. Bis 2010 werde die Summe »eher unter 250 Millionen Euro« liegen, meinte Pinkwart.
Weitere Beschlüsse: Nach Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder sollen die Ladenöffnungszeiten in NRW werktags frei gegeben werden. Die Öffnungszeiten für die Außengastronomie sollen bis Mitternacht ausgedehnt werden.
Gut drei Wochen nach der Wahl sind damit die strittigsten Themen vom Tisch. Am Samstag sollen Landesparteitage den Koalitionsvertrag beschließen, bevor Rüttgers am Mittwoch nächster Woche zum Ministerpräsidenten gewählt wird.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 15.06.2005