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Leitartikel
Vertrauensfrage pur

Schröder
an Schröder geknüpft


Von Reinhard Brockmann
Gerhard Schröder kommt nicht mehr mit: Erst verweigern die Grünen die Rolle des Königsmörders, dann schießen die SPD-Linken aus allen Rohren auf den Bundespräsidenten, und während der Kanzler zum Staatsoberhaupt eilt, gibt die grüne Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckhardt die Bundestagswahl für Rot-Grün schon verloren.
Vor diesem Hintergrund musste Schröder gestern seine in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Ehrenerklärung für das höchste Verfassungsorgan mit den Worten einleiten: »Ich habe den Herrn Bundespräsidenten um ein Gespräch gebeten.«
Stellen wir uns doch einmal nur ganz kurz vor, dass es auch hätte umgekehrt gewesen sein können. Außerdem: Franz Münteferings Autorität ist wie weggeflogen. Der Machtwort-Setzer räumt ein, seine Führungskraft sei »eingeschränkt«.
Deshalb musste Schröder gestern um 14.00 Uhr diese denkwürdige Ansage machen und mit dem Wort »Ich« beginnen. Seht her, der Kanzler geht in die Offensive! Dabei merkt jeder, die Zahl der Patronen wird dramatisch knapp.
Er wird die »Vertrauensfrage pur« stellen, Schröder sozusagen an Schröder geknüpft. Nachrichtlich war das neu, interessanter aber sein versteckter Hinweis darauf, wo genau das Vertrauen fehlt: »Der von mir und meiner Regierung eingeschlagene Weg der Reformpolitik ist nach meiner festen Überzeugung der richtige Weg, unser Land zu erneuern, den Wohlstand zu bewahren sowie dauerhaft soziale Sicherheit und Teilhabe zu garantieren. Ich werde mit ganzer Kraft dafür kämpfen, diesen Weg zum Wohle der Menschen in unserem Land fortzusetzen.« Klipp und klar will er sagen: Meine Reformpolitik hat keine Mehrheit mehr in meiner Partei.
Vielsagend ist auch die an sich unlogische Verknüpfung von »volles Vertrauen in die Überparteilichkeit des Herrn Bundespräsidenten« Und: »Das gilt auch für die Wahrung der Vertraulichkeit unserer Gespräche. Deshalb erwarte ich von führenden Mitgliedern meiner Partei, die andere Ansichten öffentlich geäußert haben, dies unverzüglich einzustellen.«
Die Linken waren, wie man weiß, beim internen Gespräch Schröder/Köhler am 23. Mai gar nicht zugelassen. Wenn danach trotzdem ganz viele Zitate einschließlich der Passage »Erpressungspotenzial« im »Spiegel« standen und Schröder das Bundespräsidialamt ausdrücklich vom Nachrichtenleck freispricht, dann bleibt nur noch eine Erklärungsrichtung: Der Verräter ist in der allerengsten Umgebung.
Allerdings: Kaum einer in Berlin kann sich vorstellen, das beispielsweise Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier Indiskretionen ohne das Wissen seines Chefs herauslässt.
Der Maulwurf, ist das am Ende Schröder selbst? Das muss uns nicht beunruhigen, Schröder sagte ja noch: »Das darf aber nicht dazu führen, dass die Verfassungsorgane beschädigt und die Würde der in ihnen handelnden Personen verletzt wird.«

Artikel vom 10.06.2005