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Der Kanzler kanzelt
die SPD ab

»Angriffe einstellen«: Kanzler Gerhard Schröder

Vertrauensfrage ohne Sachfrage

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hält am Fahrplan für eine vorgezogene Neuwahl fest und hat nach tagelanger Unruhe Rücktritts-Spekulationen entkräftet.

Er werde am 1. Juli im Bundestag die Vertrauensfrage stellen und diese nicht mit einem Sachthema verbinden. Das teilte der der Regierungschef nach einem Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler gestern in Berlin mit. Die Begründung für den Neuwahl-Plan ließ er aber weiter offen. Zugleich sprach Schröder von »politischer Ausnahmesituation« und forderte SPD-Politiker in scharfer Form auf, ihre Angriffe auf Köhler »unverzüglichlich einzustellen«.
Der Kanzler betonte, er habe zur Kenntnis zu nehmen, dass es in einer politischen Ausnahmesituation zu »unangemessenen Reaktionen und zu ausufernden Spekulationen« kommt. »Das darf aber nicht dazu führen, dass die Verfassungsorgane beschädigt und die Würde der in ihnen handelnden Personen verletzt wird.«
Schröder betonte, er habe volles Vertrauen in Köhlers Überparteilichkeit und dessen Wahrung der Vertraulichkeit der Gespräche. Dieses hatten stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende bezweifelt und Köhler als »CDU-Präsidenten« bezeichnet.
Unterdessen mehrten sich die Rufe zur Vernunft. Die Paderborner SPD-Abgeordnete Ute Berg, Mitglied im Parteivorstand, verlangte, die Disskussionen um Köhler müssten sofort aufhören.
Zuvor war spekuliert worden, dass Schröder die Vertrauensfrage an die Unternehmenssteuer-Reform knüpfen könnte. Da es gegen den bisherigen Entwurf der Regierung Vorbehalte sowohl bei der SPD wie auch bei den Grünen gibt, hätte eine ausreichende Zahl von Koalitionsvertretern ehrlich gegen das Gesetz und damit gegen Schröder stimmen und Bedenken gegen einen inszenierten Vertrauensverlust ausräumen können. Allerdings ließ der Kanzler die Begründung weiter offen. »Die Gründe, weshalb ich die Voraussetzungen der Vertrauensfrage als erfüllt ansehe, werde ich dem Bundestag darlegen«, sagte er, ohne ein Datum zu nennen. Schröder bekannte sich erneut ausdrücklich zu seiner Reformpolitik.
CSU-Generalsekretär Markus Söder warf Schröder vor, er lasse Deutschland über die Begründung der Vertrauensfrage erneut im Unklaren. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte: »Die Stellungnahme zeigt, dass seine Partei noch nicht einmal in der Lage ist, einen geordneten Rückzug zu organisieren.«
Seite 4: Leitartikel/Hintergrund

Artikel vom 10.06.2005