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Schulboykott: Lehrer
wurden nicht beleidigt

Staatsanwaltschaft stellt Strafverfahren ein

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn (WB). Im Fall der Schulverweigerer im Kreis Paderborn hat die Staatsanwaltschaft Paderborn das Strafverfahren gegen die Geschäftsführerin des Vereins »Schulunterricht zu Hause« (Schzh), Ingrid Guenther, eingestellt.

Die umstrittenen Äußerungen von Guenther seien nicht als Straftat zu werten, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Peter Dietzmann dieser Zeitung. Eine Beleidigung von Lehrern liege nicht vor. Die Äußerungen fielen unten den Begriff der freien Meinungsäußerung. Die gleiche Rechtsauffassung hatte auch das NRW-Schulministerium vertreten.
Der Verein Schzh, der im hessischen Dreieich ansässig ist, vertritt sieben strenggläubige baptistische Elternpaare aus den Kreisen Paderborn und Höxter, die aus Kasachstan stammen und ihre Kinder aus religiösen Gründen seit Monaten nicht zur Schule schicken, sondern zu Hause unterrichten. Gegen die Eltern laufen Bußgeldverfahren in Höhe von jeweils 500 Euro. In einem Fall hat die Staatsanwaltschaft bereits Erzwingungshaft beantragt.
Im Gespräch mit dieser Zeitung hatte Guenther unter anderem erklärt: »Die Kinder nehmen seelischen Schaden durch die gegensätzliche Erziehung insbesondere im Bereich der Sexualität, wenn sie in der Schule der aggressiven, emanzipatorischen Sexualerziehung ausgesetzt sind.«
Gegen Guenther hatten zwei Pädagogen aus Paderborn sowie der NRW-Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, Strafanzeige erstattet. Im Gegensatz zum Schulministerium ist Beckmann der Meinung, dass Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede vorliegen.
Auch das Strafverfahren gegen den Leiter der Philadelphia-Schule in Siegen, Helmut Stücher, soll nach Informationen dieser Zeitung eingestellt werden. Kreisdirektor Heinz Köhler hatte Stücher, der sich bundesweit als Sprecher religiöser Schulverweigerer versteht, unter anderem Volksverhetzung vorgeworfen. Stücher hatte gedroht, Baptisten könnten Deutschland über Nacht in einen »totalitären Unrechtsstaat« verwandeln.

Artikel vom 08.06.2005