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Die FIFA nutzt
den Ticketwahn

Besteller lassen sich zu viel gefallen

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Offiziell wird erst in 365 Tagen die FIFA-WM in Deutschland eröffnet. Doch für jeden, der sich um die extrem begehrten 1,1 Millionen Tickets für die 64 Spiele beworben hat, läuft die WM schon seit 1. Februar.

An diesem Tag wurde der Startschuss für die erste der fünf Verkaufsphasen für die Eintrittskarten abgegeben. Wer Einzelkarten für spezielle Spiele bestellt und bei der Verlosung Erfolg hatte, kann sich genüsslich zurücklehnen. Der hat seine Zugangsberechtigung zu mindestens einem der zwölf Stadien sicher.
Wer sich aber für die viel riskantere Variante namens TST-Serie (teamspezifische Ticketserie) entschieden hat, den hat längst das WM-Fieber gepackt. Über Videotext und Internetseiten hat jeder Ticketbesteller jetzt die Chance, die Spiele »seines« Teams über den Liveticker zu verfolgen. Was sich unbedingt lohnt. Denn die Spannung ist riesig, das Fieber steigt.
Doch derjenige muss - das ist das Schlimme - auch ständig mit einem bösen Erwachen rechnen. Ein Beispiel: Jemand hat sich bei der Bestellung für eine TST-Serie zum Team Kamerun entschieden. Kamerun ist nur Zweiter in seiner Gruppe, muss aber Erster werden, um in Deutschland dabei zu sein. Obwohl also noch gar nicht sicher ist, dass sich Kamerun qualifiziert, mussten die bestellten Tickets aber bereits bezahlt werden. Wer Kamerun bis zum Halbfinale sehen will (TST-6) und dafür Karten der Kategorie 2 bestellt hat, musste, sofern der Bestellantrag erfolgreich war, 666 Euro berappen.
Klar gibt's das Geld für den Fall der Nicht-Qualifikation von der FIFA zurück. Doch erst »innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung der Qualifikationsspiele«, wie es in den Richtlinien heißt. Und zwar zinsfrei! Abgebucht wurde deutlich schneller. Zwei Tage nach erfolgreicher Bestellung war das Geld schon nicht mehr auf dem Konto des Bestellers.
Horst R. Schmidt, Vizepräsident des Organisationskomitees (OK), rechtfertigt das Verfahren: »Der Fan hat eine Kaufentscheidung gefällt, dann ist der Kaufpreis fällig. Wir können es nicht riskieren, dass im Dezember nach der Auslosung plötzlich jemand sagt: Ach, bei den Gegnern will ich meine Karten nicht.«
Warum trotzdem eine so genannte »TST-Servicegebühr« in Höhe von 30 Euro fällig wird, falls Kamerun die Quali zur WM in Deutschland nicht schafft, erklärt die FIFA nicht. Auf Nachfrage wurde nur mitgeteilt, dass »die gesamte Preisgestaltung unter dem Aspekt zu betrachten ist, dass mit der Organisation insgesamt, aber auch mit der Übernahme des Kartenverkaufs im Besonderen hohe finanzielle Verpflichtungen verbunden sind«.
Wie sich besagte TST-Servicegebühr zusammensetzt und warum ihre Höhe an die bestellte Kartenkategorie angeglichen wird, teilte die FIFA nicht mit. Wer nämlich eine TST-Serie in Kategorie 1 bestellt hat, muss sogar eine Servicegebühr von 50 Euro zahlen.
Dass sich die FIFA mit der WM trotz moderater Eintrittspreise eine goldene Nase verdient, ist klar. Im Oktober endet die Qualifikation. Wer Glück hatte und bereits nach der ersten Bestellphase am Bekanntgabedatum 15. April als Gewinner einer TST-Serie ausgelost wurde, weiß sein Geld bis Ende November bei der FIFA gut aufgehoben. Gemessen an den mehr als 10 Millionen Bestellern allein während der ersten Verkaufsphase, lässt sich erahnen, welche Summen die FIFA über die Monate gewinnbringend anlegt.

Artikel vom 09.06.2005