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Chaos bei der Schreibreform
verlängert

Endgültige Fassung nicht absehbar

Quedlinburg (dpa). Bald wird wieder zusammengeschrieben, was zusammen gehört. Kritiker bleiben bei ihren Urteil: Der von der Kultusministerkonferenz beschlossene Teil-Start der umstrittenen Rechtschreibreform zum 1. August sei »Babylonischer Irrsinn.«

Im langen Streit um die Schreibreform zeichnet sich eine Teillösung ab. Bei einer Sitzung des Rates für die deutsche Rechtschreibung am Freitag in Mannheim erzielten Reformbefürworter wie Gegner Einvernehmen über die besonders umstrittene Getrennt- und Zusammenschreibung.
Unterdessen erklärte die Kultusministerkonferenz (KMK), dass sie bei den noch strittigen Fragen der Rechtschreibreform eine baldige Klärung erwarten. Dabei wollen sie den Rat nicht unter Druck setzen. »Wir haben keine Frist gesetzt«, sagte KMK-Präsidentin Johanna Wanka (CDU).
Der Rat schlägt vor, heilig sprechen und fertig machen künftig wieder zusammenzuschreiben. Bei »kennenlernen« sollen beide Schreibweisen erlaubt bleiben.
Wanka verteidigte den Beschluss der Minister, die unstrittigen Teile der Reform wie geplant zum 1. August für Schulen und Behörden als verbindlich zu erklären. Fehler bei der Groß- und Kleinschreibung würden von den Lehrern künftig nicht nur markiert sondern auch gewertet. Als weitgehend unstrittig gilt die neue Laut-Zuordnung (Stängel statt Stengel, aufwändig statt aufwendig).
Neben der bislang strittigen Getrennt- und Zusammenschreibung soll bei der Silbentrennung und Zeichensetzung an den Schulen solange »Toleranz geübt« werden, bis der Rat auch dazu abschließende Empfehlungen vorgelegt hat.
Die drei großen Lehrerverbände, GEW, VBE und Philologenverband, forderten Kultusminister und Rat auf, den seit Jahren währenden »Krieg um die deutsche Rechtschreibung« im Interesse der Schulen zügig zu beenden.
Mit den Änderungsvorschlägen trete der Rat der Tendenz der Reform entgegen, möglichst viel auseinander zu schreiben, erklärte Minister Hans Zehetmair. Sprache sei kein Verordnungsgegenstand, sondern ein organisches Gebilde. Die »Konsumenten« der Sprache seien nicht nur die Kinder und die Lehrer, sondern auch die breite Öffentlichkeit.
Kritiker Thomas Paulwitz forderte Jürgen Rüttgers (CDU) auf, »sobald wie möglich sein Wahlversprechen zur Rechtschreibreform einzulösen«. Der habe vor der Wahl versprochen, dass die CDU bei einem Wahlsieg dafür sorgen werde, »dass man zu den bewährten Regeln zurückkehrt«. Wenn das bevölkerungsreichste Bundesland jetzt aussteige, »kippt die Rechtschreibreform endgültig«.
Rüttgers bezeichnete die Beschlüsse am Freitag als immer noch nicht ausgereift. »Ich frage mich, warum die Kultusministerkonferenz wichtige Entscheidungen erneut um ein Jahr vertagt hat«, sagte Rüttgers dieser Zeitung. Er bleibe bei seiner Auffassung, »dass es bedenklich ist, wenn sich politische Gremien wie die KMK über den Rat von Experten hinwegsetzen wie es bei der Rechtschreibreform seit Jahren praktiziert wird.«

Artikel vom 04.06.2005