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Polizei hinkt bei
Technik hinterher

NRW fehlen moderne Abhöranlagen

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Straftäter, die sich über das UMTS-Handynetz oder das DSL-Festnetz verabreden, können relativ sicher sein, dass sie niemand abhört. Wie aus Sicherheitskreise bekannt wurde, ist die nordrhein-westfälische Polizei derzeit nicht in der Lage, Gespräche innerhalb dieser Netze in größerem Umfang mitzuhören.

»Wir sind lediglich dafür ausgerüstet, in besonders herausragenden Fällen wie etwa einer Geiselnahme oder einer Erpressung Tatverdächtige abzuhören, die sich dieser modernen Technik bedienen«, sagte ein Polizeibeamter dem WESTFALEN-BLATT. Ein breiterer Einsatz der UMTS- und DSL-Abhörtechnik, etwa gegen Drogendealer, Autoschieber oder Einbrecherbanden, sei derzeit nicht möglich: »Weil wir die Geräte nicht in entsprechender Anzahl besitzen.«
Das Land habe lediglich einige Abhöranlagen für UMTS und DSL gemietet, die bei den Zentralen Polizeitechnischen Diensten (ZPD) in Duisburg stünden - quasi als Notfallausrüstung für besonders schwere Verbrechen. Erst in der vergangenen Woche soll NRW-Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) die seit langem beantragten Mittel für den Kauf entsprechender Technik freigegeben haben. Wann sie den Behörden im Land zur Verfügung steht, ist noch ungewiss.
Bisher sind in Nordrhein-Westfalen zehn Polizeibehörden in der Lage, Telefon-, Fax- und Emailverbindungen innerhalb der herkömmlichen Handynetze sowie der konventionellen ISDN- und Analogfestnetze abzuhören. Die entsprechende Ausrüstung haben acht Polizeipräsidien (darunter Bielefeld), das Landeskriminalamt in Düsseldorf und die Zentralen Polizeitechnischen Dienste in Duisburg. Da die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) sehr teuer ist (die Geräte müssen rund um die Uhr besetzt sein, zum Teil zusätzlich mit Dolmetschern), will NRW die Zahl der TKÜ-Behörden noch in diesem Jahr reduzieren. Bislang sollen die Präsidien Duisburg, Bochum und Dortmund auf der Streichliste stehen.
In Nordrhein-Westfalen hatten Richter im vergangenen Jahr in 495 Verfahren Telefonüberwachungen angeordnet, wovon 1300 Tatverdächtige betroffen waren. Damit betraf die Telekommunikations-Überwachung 0,04 aller Ermittlungsverfahren. Nach Angaben des NRW-Justizministeriums hat die Überwachung in nahezu 80 Prozent der Fälle beweiskräftige Erkenntnisse geliefert.
Im vergangenen Jahr betrafen 305 der 495 Überwachungen den Drogenhandel. In 59 Ermittlungsverfahren zur Organisierten Kriminalität wurde die Technik genutzt, bei Raub und räuberischer Erpressung waren es 44 Fälle, und bei 39 Mordermittlungen hörten Beamte ebenfalls mit.

Artikel vom 06.06.2005