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Schildkröte benötigt einen Ausweis

Zugelaufener »Kröti« brockt Pflegeeltern in Paderborn etliche Laufereien mit Behörden ein

Von Karl Pickhardt (Text)
und Wolfram Brucks (Fotos)
Paderborn (WB). Eine kleine Schildkröte brockt einem Erzieher-Ehepaar bei Paderborn möglicherweise eine ellenlange Tour durch den Behörden-Dschungel an. Heike und Hartmut Oster wollen »Pflegeeltern« des Tieres werden, das ihnen im Garten zugelaufen ist. Ihr Pech: Die Schildkröte führte auf ihrer Reise keine Ausweispapiere mit.

Ohne Ausweispapiere und Herkunftsnachweis will der Kreis Paderborn allenfalls eine befristete »Aufenthaltsgenehmigung« erteilen - für vielleicht 50 Jahre.
Der gepanzerte Gesell, den Heike Oster (37) »Kröti« taufte, war seelenruhig durch den idyllischen Garten im Schatten von Schloß Hamborn im Kreis Paderborn gekrabbelt. Ein Tierbuch identifizierte »Kröti« schnell als griechische Landschildkröte. Erkundigungen in der Nachbarschaft lieferten keinen Hinweis, dass die Kröte entlaufen und damit auf der Flucht sei. Niemand weiß, wie die südeuropäische Landschildkröte ins Paderborner Land gelangte.
Genau dies will aber die Untere Landschaftsbehörde beim Kreis Paderborn wissen, dem Hartmut Oster (40) das exotische Tier gesetzestreu auf Anraten einer Borchener Tierärztin meldete. Denn eine Schildkröte fällt unter das Washingtoner Artenschutzabkommen aus dem Jahr 1973. Dieses Abkommen kontrolliert den Handel geschützter Tierarten. Darunter fallen auch Schildkröten.
Da die beiden Erzieher, die in Schloß Hamborn eine Tagesgruppe der Kinder- und Jugendhilfe leiten, keine Ausweispapiere über ihr »Findelkind« besitzen, besteht laut Washingtoner Abkommen Besitzverbot. Das zugelaufene Reptil trägt auch keinen Chip, der gemäß Kennzeichnungspflicht nach den Buchstaben des Artenschutzabkommen vorgeschrieben ist. »Wir sollen jetzt laut Behördenanweisung die Schildkröte von oben, von unten und von der Seite fotografieren, das Tier außerdem wiegen und zudem einen genauen Bericht vorlegen, wie die Schildkröte den Weg zu uns gefunden hat«, stöhnt Hartmut Oster. Außerdem sei noch eine Untersuchung bei Behörden in Bielefeld-Bethel fällig, um eine gesundheitliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen.
Ein Sprecher der unteren Landschaftsbehörde beim Kreis Paderborn bestätigte gestern diesen aufwändigen Weg zur Registrierung von »Kröti«. Bei einer Schildkröte böten der Verlauf der Nähte und deren Schnittstellen am Panzer untrügliche Merkmale zur Wiedererkennung und späteren Identifizierung. So könnte das Findeltier »Kröti« aus dem Paderborner Land nach erkennungsdienstlicher Behandlung doch noch zu seinen Ausweispapieren und damit irgendwann zu einem neuen Zuhause kommen.
Während Behörden in Paderborn auf den Spuren der Vergangenheit einer griechischen Landschildkröte am Ball sind, ist »Kröti« längst zum Liebling der Kinder in der Tagesgruppe von Schloß Hamborn geworden. Sie hoffen, dass die zuständigen Behörden die Schildkröten-Pflegestelle in Schloß Hamborn anerkennen und Kröti keinem Zoo zuweisen. Offenbar fühlt sich die griechische Landschildkröte in Paderborn recht wohl - auch ohne Ausweis.

Artikel vom 03.06.2005