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Martina Hingis und der
Charme des Normalen

Schweizerin zupft Unkraut und schlägt Gabriela Sabatini

Von Oliver Kreth
Halle (WB). Nahezu 200 Wochen war die »Swiss Miss« die Queen im Damen-Welttennis. Nach dem Turnier in Filderstadt 2002 war abrupt Schluss mit dem Schläger-Schwingen. Verletzungen stoppten die jüngste Wimbledonsiegerin aller Zeiten.

Mit ihrem neuen Lebensabschnitt hat sie sich richtig angefreundet. »Das normale Leben macht mir Spaß. Und als Hausfrau hat man ja auch einiges zu tun.« In den letzten Monaten hat sie ihr Haus in einer 500-Einwohner-Gemeinde am Zürichsee eingerichtet. Und nach den Stürmen in Florida musste sich die Tennis-Millionärin außerdem um ihr Anwesen in den USA kümmern.
Dass die mittlerweile 24-Jährige immer noch eine große Popularität besitzt, kann man auch daran sehen, dass Martina Hingis immer noch als Werbefigur gefragt ist. Ihr Spot mit Waschmaschine hat bei den Eidgenossen Kultcharakter. Aber nicht nur deshalb meidet die mal als eines der attraktivsten 50 Gesichter der Welt Ausgezeichnete zentrale Punkte in ihrer Heimat: »Ich habe nichts gegen Popularität. Aber Unkrautzupfen ist mir momentan fast lieber.«
Ein normaler Tag beginnt für Martina Hingis immer noch häufig mit Tennisspielen in der Schule ihrer Mutter. Der begehrte Single: »Ich war ja nie komplett weg vom Tennis.« Danach joggt sie gerne, gibt die gute Hausfrau und widmet sich ihren beiden Pferden. Eines hatte sie 2004 bei Franke Sloothaak gekauft. Über einen Bekannten hatte sie Kontakt zum Springreiter in Borgholzhausen bekommen. Fünf Tage war sie am Teuto und von »zwei Pferden, die zu verkaufen waren, habe ich gleich eines mitgenommen«.
Schon Ende letzten Jahres dachte die ehemalige Nummer eins über ein Comeback nach. Sie spielte in Pattaya, doch sie verlor gegen die Deutsche Marlene Weingärtner. »Einen Satz konnte ich mithalten. Ich habe erkannt, dass ich mehr trainieren müsste.« Und dazu hat sie nicht mehr unbedingt den Biss. »Immer wenn ich in die Nähe eines Tennisplatzes komme, steigt zwar meine Anspannung. Es ist ein ganz spezielles Gefühl. Auf diesen Plätzen habe ich meine Existenz aufgebaut, habe mir Respekt verschafft. Das ist für mich immer noch Emotion pur.«
Aber da sind eben auch die negativen Begleiterscheinungen. Neben den Verletzungen sind das vor allem die vielen Reisen. Die 24-Jährige: »Die Fliegerei vermisse ich nicht. Da fühle ich mich in meinem Heim wohler.« Und sie genießt auch das entspannte Verhältnis zu den alten und neuen Gesichtern auf der Tour. »Schließlich bin ich keine Gefahr mehr für sie und sie nicht mehr für mich.« Deshalb freute sie sich auch auf das Showmatch gegen Sabatini, zu der sie ein entspanntes Verhältnis und eine ausgeglichenen Spielbilanz (1:1) auf der Tour hat. Freunde sind sie aber nicht, »schließlich wohnt Gabi in Buenos Aires. Da bin ich noch nie gewesen«. Dennoch war die Umarmung nach Hingis' 6:3, 6:1-Sieg mit der zehn Jahre Älteren sehr freundschaftlich.
Einen guten Kontakt hat sie auch zum anderen großen Tennis-Tell. Und dass nicht nur, weil sie die Goldene Kamera an Roger Federer verliehen hat. Die beiden haben auch im Hopman-Cup für die Schweiz schon Matches miteinander bestritten - und gewonnen. Und sie drückt ihm die Daumen, dass er den Titel-Hattrick in Halle schafft: »Ich hoffe, dass er gewinnt. Vor und in Wimbledon hat er ja immer eine besondere Form.«

Artikel vom 06.06.2005