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Bundeswehr - unumstritten wie nie

Von Dirk Schröder
Bielefeld (WB). In diesem Jahr wird die Bundeswehr 50 Jahre alt. Im Vergleich mit den befreundeten Staaten um uns herum ist sie damit noch eine sehr junge Armee. Doch haben die deutschen Streitkräfte allen Grund zum Feiern. Trotz mancher Krise - die 50-jährige Geschichte der Bundeswehr ist eine Erfolgsstory. In den zurückliegenden fünf Jahrzehnten hat die Bundeswehr zusammen mit den Verbündeten den Frieden gesichert und damit die ihr gestellte Aufgabe bravourös bewältigt.
Auslandseinsätze wie in Afghanistan sind die neuen Herausforderungen für die Truppe.Foto: C. Borgmeier
Verteidigungsminister Peter Struck: »Der größte Erfolg der Bundeswehr ist, dass sie fest verankert in der NATO wesentlich zur Auflösung des Warschauer Paktes und zum Ende des Ost-West-Konflikts beigetragen hat, ohne kämpfen zu müssen.« Heute sei die Bundeswehr als Armee im Einsatz international anerkannt und ihr Prinzip der inneren Führung, die den Soldaten vor allem als verantwortlichen Bürger sieht, ein »Exportschlager«.
Unter dem Eindruck von Strukturreformen, Geldnot und Auslandseinsätzen startet die Bundeswehr am 7. Juni mit einem großen Festakt ihre Feierlichkeiten, die sich bis in den November hineinziehen. Am 7. Juni 1955 wird die Dienststelle des »Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen« in das Bundesministerium für Verteidigung umbenannt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Theodor Blank wird erster Verteidigungsminister der Bundesrepublik.
Abschluss der Jubiläumsveranstaltungen bildet am 12. November ein feierliches Gelöbnis im niedersächsichen Bordenau. Dies ist der Geburtsort des preußischen Heeres-Reformers General Gerhard von Scharnhorst. Zu seinem 200. Geburtstag am 12. November 1955 erhalten die ersten 101 Freiwilligen der Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden. Es ist das offizielle Gründungsdatum der Bundeswehr.
Die Gründung der Bundeswehr fällt in eine Zeit, in der die Menschen so kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs eher antimilitaristisch eingestellt sind. Noch 1952 sind laut einer Emnid-Umfrage drei Viertel aller Deutschen gegen eine neue Armee. Doch die Politik des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer setzt sich durch, verspricht Sicherheit verbunden mit dem langfristigen Ziel der Wiedervereinigung. Die Bundeswehr wird sehr eng an das Parlament gebunden, das über Stärke, Bewaffnung und Einsätze zu entscheiden hat. Ein Wehrbeauftragter des Bundestages, nicht der Regierung, soll kontrollieren, dass die innere Verfassung der Streitkräfte den Grundsätzen einer Armee in der Demokratie entsprechen. Das Innenleben wird durch das Bild vom Staatsbürger in Uniform geprägt.
Die junge Bundeswehr ist in der Gesellschaft höchstens wohl gelitten, die Landesverteidigung über Jahre noch politisch umstritten. Auch heute bringen immer noch viele Bürger wenig Verständnis für ihre Streitkräfte auf. Doch kann festgestellt werden, dass die Bundeswehr in ihrem Jubiläumsjahr so unumstritten ist wie nie. Proteste wie noch bei den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen gibt es kaum noch. Interne Schwierigkeiten ranken sich vor allem um Versetzungen, Beförderungen und Ausstattung.
Konrad Adenauer beantwortet die ihm damals gestellte Frage, ob die Generale Hitlers auch die Generale Adenauers seien, auf die ihm typische und schlagfertige Art und Weise: »Ich glaube, dass mir die NATO 18-jährige Generale nicht abnehmen wird.«
Ein »Personalgutachterausschuss« hatte die Aufgabe, alle Offiziere, die für die Einstellung mit dem Dienstgrad Oberst und höher vorgeschlagen wurden, auf ihre persönliche und politische Eignung zu prüfen. Die Bundeswehr wächst in den folgenden Jahren schnell. Schon Ende 1957 beträgt ihre Stärke 118 000 Mann.
Begonnen hat das Jahr 1957 mit der Musterung der ersten 100 000 Wehrpflichtigen. Am 1. April rücken die ersten 10 000 Bürger in Uniform ein. Seit dieser Zeit ist das Thema Wehrpflicht ein heiß diskutierter Dauerbrenner. Immer wieder gibt es erfolglose Versuche, sie abzuschaffen. Und beim Start der rot-grünen Koalition 1998 verlangen die Grünen, die Abschaffung auf den Weg zu bringen.
Womöglich hätten die Grünen auf diesem Weg bis zum Ende des Jahres Erfolg gehabt, denn die SPD will im November über ihre Position entscheiden. Doch mit der vorgezogenen Bundestagswahl im September wird die Wehrpflicht auf jeden Fall die kommenden Jahre überleben. Zwar sind auch die Liberalen als voraussichtlicher Koalitionspartner der Union gegen die Wehrpflicht, doch stehen CDU und CSU immer noch fest hinter diesem Dienst.
In den Jahren nach 1960 beginnt die Konsolidierung der Bundeswehr. Im Erdbebengebiet bei Agadir in Algerien leistet die Bundeswehr erstmals außerhalb der Bundesrepublik Katastrophenhilfe. Es folgen 1962 der Einsatz bei der Hamburger Flutkatastrophe und Katastropheneinsätze bei den Waldbränden in Niedersachsen (1975), bei der Schneekatastrophe in Norddeutschland (1979) sowie bei den Flutkatastrophen an Oder und Elbe 1997 und 2002. Diese Einsätze der Bundeswehr haben immer wieder wesentlich zur Verbesserung des Klimas zwischen Streitkräften und der Bevölkerung beigetragen.
1975 werden erstmals die Frauen auf die soldatische Männerwelt »losgelassen«. Die Bundeswehr öffnet sich für Ärztinnen als Sanitätsoffiziere. Seit 2001 stehen Frauen alle Laufbahnen in der Bundeswehr offen. Derzeit dienen etwa 12 000 Frauen in den Streitkräften, was einem Anteil von mehr als sechs Prozent aller Berufs- und Zeitsoldaten entspricht. Geplant ist eine Ausweitung auf bis zu 15 Prozent.
Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation und der Wiedervereinigung wandelt sich auch das Aufgabenspektrum der Bundeswehr. Zunächst ist da einmal die Zusammenführung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, oder ehrlicher gesagt, die Auflösung der NVA. Eine Mammutaufgabe, die aber der damalige Generalleutnant Jörg Schönbohm, der zuvor auch schon die »Lipperland«-Brigade in Augustdorf geführt hatte, erfolgreich löst.
Wer nun am Ende des Kalten Krieges aber glaubt, Friede und Freude sei über die Welt gekommen, sieht sich schnell enttäuscht. Kambodscha, Somalia, Kuwait, der Balkan und Afghanistan heißen seit 1992 die wichtigsten Stationen. Heute ist die Bundeswehr mehr denn je eine im Auslandseinsatz bewährte Armee.
Um für diese Aufgaben, die auch in der Zukunft im Vordergrund stehen, gewappnet zu sein, hat Struck den Streitkräften einen »Transformationsprozess« verordnet, der die Strukturen, Organisationsabläufe und die Ausbildung noch einmal kräftig umkrempeln wird. Mit Masse wird dies von 2007 an geschehen. Schmerzlich werden dies eine ganze Reihe von Standorten spüren, die geschlossen oder verkleinert werden. Bis 2010 soll dies abgeschlossen sein. Struck: »Die so neu gestaltete Bundeswehr wird besser in der Lage sein, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.«

Artikel vom 01.06.2005