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Preise, auf die man sich verlassen kann

Genth: Trend zum Discount verlangsamt -ÊLeistungen für den Standort würdigen

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Beim Sparen macht den Deutschen derzeit in Europa und wohl auch weltweit niemand so schnell etwas vor. Die Folgen spürt nach Aussage von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des OWL-Einzelhandelsverbandes, vor allem der Lebensmittel-Einzelhandel. Dessen Rendite liegt inzwischen vielfach unter einem Prozent vom Umsatz.
Stefan Genth: Rendite in England höher als hier.

In Ländern wie England und Italien erreicht sie demgegenüber ebenfalls im Lebensmittel-Einzelhandel vergleichsweise komfortable sechs bis acht Prozent. »Dabei ist das untere Lohnniveau in Großbritannien noch deutlich niedriger als in Deutschland«, wundert sich Genth. Zur Begründung verweist er auf die große Einzelhandelsdichte und den daraus folgenden scharfen Wettbewerb unter den verschiedenen Vertriebsformen. Kaum irgendwo habe der Discount in den vergangenen Jahren solche Fortschritte gemacht wie in Deutschland.
Dem Kunden könne man nicht verübeln, dass er die gute Qualität zu einem möglichst günstigen Preis einkaufen möchte. Worüber die Verbraucher in der Regel nicht nachdächten: Sie prägten mit ihren Kaufentscheidungen die Einkaufswelt von morgen.
Zu den negativen Folgen zählten die weiter zunehmende Konzentration und der Rückzug vom flachen Land. Die dortigen kleinen Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von 200 bis 300 Quadratmetern hätten es besonders schwer. Genth: »Es ist paradox. Die Bürger beklagen, dass es die klassischen ÝTante-EmmaÜ-Läden fast nicht mehr gibt, obwohl sie täglich mit ihren Kaufentscheidungen genau dazu beitragen.«
Mit besonders scharf kalkulierten Rabattaktionen machen außer dem Lebensmittel-Einzelhandel auch die Baumärkte immer wieder von sich reden. »In dieser Branche herrscht ein absoluter Verdrängungswettbewerb«, erklärte Genth im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Pauschale Preisreduktionen um 20 bis 30 Prozent minderten jedoch das Vertrauen der Verbraucher in die Preiswürdigkeit der Produkte. Verunsichert zögerten sie manchen Einkauf hinaus - in der begründeten Erwartung, dass die Ware demnächst vielleicht noch günstiger angeboten werde. Dies gelte im Übrigen fast für den gesamten Einzelhandel: »Der Kunde will Verlässlichkeit beim Preis und honoriert Rabatte immer weniger.« Unterstützt werde diese Tendenz durch schlechte Erfahrungen mit Sonderangeboten für Waren, deren Qualität den normalen Anforderungen nicht gerecht würden.
Großformatige Zeitungsanzeigen und die Nutzung des Internet haben, so Genth, inzwischen dazu geführt, dass der Käufer über Niedrigpreisangebote sehr gut informiert ist. Aufgabe des Fachhändlers sei es, seine zusätzlichen Leistungen darzulegen. Der Sprecher des regionalen Einzelhandels sieht bei den Kunden eine wachsende Bereitschaft, fachmännische Beratung und guten Service auch zu bezahlen.
Im Zeitalter der Globalisierung ist der Einzelhandel wie kein anderer Wirtschaftszweig an seinen Standort gebunden. Er tut vieles, um diesen noch attraktiver zu machen. Genth verwies auf Vereinigungen wie die Altstadt-Kaufmannschaft in Bielefeld oder die Werbegemeinschaft Paderborn, auf Straßen- und Stadtteilfeste, Jahr- und Weihnachtsmärkte, auf Kultur- und Sportveranstaltungen, die vom örtlichen Einzelhandel oft in großzügiger Weise unterstützt würden. Der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe hat im Rahmen eines Betriebs- und Strukturvergleichs, an dem sich 2004 insgesamt 91 Wirtschafts- und Werbegemeinschaften in OWL beteiligten, ausgerechnet, dass die Unternehmen jährlich mehr als 6,15 Millionen Euro in das Standortmarketing investieren.
An erster Stelle stehe bei den Ausgaben die Weihnachtsbeleuchtung. Die hohe Summe zähle umso mehr, als sich der Staat einschließlich der Städte und Gemeinden aus solchen Aktivitäten immer weiter zurückgezogen habe. Die Aufgabe werde gern übernommen - solange die eigene Rendite den Händlern diesen Spielraum noch lasse. Genth: »Dass diese Zuwendungen nicht selbstverständlich sind, merken viele leider oft erst dann, wenn die Gelder plötzlich versiegen.« Der örtliche Handel unternehme allerdings alles, um diesen Fall gar nicht nicht eintreten zu lassen.

Folge 4 am Donnerstag:
Meisterhafte Arbeit zu möglichst kleinem Preis -Êdie Situation im Handwerk

Artikel vom 31.05.2005