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Ein historisches »Ja« zu Europa

Bundesrat billigt Vertragswerk - Bangen um Zustimmung in Frankreich

Berlin (dpa/Reuters). Als neuntes EU-Mitglied hat Deutschland die EU-Verfassung endgültig gebilligt. Zwei Tage vor dem Referendum in Frankreich hat am Freitag nach dem Bundestag auch der Bundesrat dem Vertragswerk fast einhellig zugestimmt.
Nur die SPD/PDS-Regierung von Mecklenburg-Vorpommern enthielt sich und verhinderte so einen möglichen Koalitionsbruch. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler reichte nach der Zustimmung Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Ratifizierung ein.
Vor der Volksabstimmung in Frankreich am Sonntag zeigten sich in der Länderkammer Redner besorgt über die Folgen eines negativen Ausgangs. Falls das Abkommen scheitere, werde es auf Jahrzehnte »keinen besseren Vertrag« geben, warnte Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Es drohe dann ein »schwaches Europa«. Insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik müsse die EU endlich mit einer Stimme sprechen: »Die Welt wartet nicht auf Europa«. Es dürfe auf keinen Fall eine Rückkehr zum Nationalismus geben.
Auch der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing warb in einer Rede im Bundesrat eindringlich für die Annahme. Die neue Verfassung sei das »logische Ergebnis« von 50 Jahren europäischen Aufbaus. Dieser »gemeinsame Traum« dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden«, sagte Giscard, der den Konvent zur Ausarbeitung der Verfassung geleitet hatte.
Als »historische Entscheidung« bezeichneten fast alle Länderregierungschefs die deutsche Ratifizierung. Bundesratspräsident Matthias Platzeck (SPD) sprach von einem »Meilenstein für eine gute Zukunftsentwicklung von Europa«. Der Vertrag mache die Union handlungsfähiger und demokratischer. Er mache auch klar, dass Europa »eine Wertegemeinschaft und nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft sein will«. Ähnlich äußerten sich die Unions-Redner.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) warnte ebenso wie sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger erneut vor einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. »Wer Europa überfordert, tut Europa keinen Gefallen«, sagte Stoiber.
Mit dem Einlenken gegenüber der PDS beim Streit um die EU- Verfassung rettete Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) in letzter Minute die Regierung in Schwerin. Erst kurz vor der Sitzung hatte Ringstoff Enthaltung angekündigt und dies damit begründet, dass das »Interesse des Landes« im Vordergrund stünde.
Gauweiler will mit der Klage die Ratifizierung der EU-Verfassung in Deutschland verhindern. Sollte das Verfassungsgericht die Klage annehmen, könnte dies zu einer Verschiebung der Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler unter den Vertragstext führen, der bis dahin nicht als ratifiziert gilt.
Letzte Umfragen sehen die Reformgegner in Frankreich mit 55 zu 45 Prozent vorn. Mit Unterstützung von Bundeskanzler Schröder versuchten die Befürworter am Freitag, diese Tendenz noch umzukehren. Am Vorabend hatte Präsident Jacques Chirac an die Franzosen appelliert, ihrer historischen Verantwortung für den Aufbau Europas gerecht zu werden.

Artikel vom 28.05.2005