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Glatter Freispruch
für »Doc Holiday«

Streit um »gelben Schein« vom Arzt


Bielefeld (hz). Mit einem glatten Freispruch für einen Bielefelder Arzt endete Freitag ein ungewöhnlicher Prozess vor dem Amtsgericht. Der 55-jährige Mediziner war angeklagt, sich des versuchten Betruges und des unrichtigen Ausstellens von Gesundheitszeugnissen schuldig gemacht zu haben. Im Klartext: Beim 55-Jährigen soll es sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft um einen so genannten »Doc Holiday« (Holiday englisch für Urlaub) gehandelt haben, der aus reiner Gefälligkeit seinen Patienten »gelbe Scheine« zum Krankfeiern ausgestellt haben soll.
Allerdings - der Patient, den der Bielefelder Arzt am 7. Oktober 2002 in seiner Praxis behandelt hatte, war kein gewöhnlicher. Der Mann war weder, wie er zunächst der Arzthelferin an der Anmeldung erzählt hatte, vom grippalen Infekt geschwächt noch sonstwie erkrankt. Patient Thomas K. (35/Name geändert) war vielmehr leitender Angestellter einer hiesigen Leiharbeitsfirma, der aus Testzwecken beim Mediziner vorsprach, um diesen als »Doc Holiday« zu überführen.
Wie der als Zeuge geladene 35-Jährige am Freitag freimütig vor Amtsrichter Joachim Grunsky bekannte, habe sich der Arzt auf einer firmeninternen »Hitliste« von Medizinern befunden, die die Mitarbeiter der Leiharbeitsfirma viel zu schnell krankschreiben würden. Deshalb habe Thomas K. im Auftrag seiner Geschäftsführung testen wollen, ob der Arzt wirklich »gelbe Scheine«, die allseits bekannten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, so freigiebig verteile wie vermutet.
Und so war beim Arzt-Patienten-Gespräch vom »grippalen Infekt«, den Thomas K. bei der Anmeldung in der Praxis zunächst vorgetäuscht hatte, auch keine Rede mehr. Er habe sich, erzählte der 35-Jährige eine frei erfundene Geschichte, mit seinem Chef gestritten, wolle nun »Gras über die unerfreuliche Sache wachsen lassen« und eine Woche nicht im Betrieb erscheinen. Deshalb habe er die Bitte, dass der Arzt ihn für sieben Tage krankschreibe.
Laut Aussage von Thomas K. vor dem Amtsgericht habe er den erwünschten »gelben Schein« bekommen. Das stritt der angeklagte Mediziner allerdings ab. Der Arzt will den »Patienten« zwar für eine Woche krankgeschrieben haben, aber ausschließlich wegen eines grippalen Infekts.
Amtsrichter Joachim Grunsky folgte schließlich dem Antrag von Verteidiger Ulrich Kraft und sprach den Arzt von allen Anklagevorwürfen frei. Zum einen sei der Mediziner mit einer abgesprochenen Geschichte in die Irre geführt worden. Zum anderen könne man dem Arzt nur versuchte Beihilfe zum versuchten Betrug eines Arbeitnehmers am Arbeitgeber vorwerfen. Doch das sei nach dem Gesetz nicht strafbar. Denn: »Testpatient« Thomas K. hatte von seinem »gelben Schein« natürlich keinen Gebrauch gemacht.

Artikel vom 28.05.2005